Verdacht auf Mord
wurde nie gefunden.«
Sie war verstummt. Hatte Pierre sie davon überzeugen wollen, sie sei mit einem unverbesserlichen Lügner und Betrüger verheiratet? Mit einem Mörder?
Gab es Leute aus Jans Vergangenheit, die noch eine Rechnung offen gehabt hatten? Die sich Jahre später noch gerächt hatten?
Bei dem Gedanken schauderte sie.
Über Pierres Absichten hatte es jedoch keine Zweifel gegeben. Sie waren eindeutig, hatten ihr geschmeichelt, aber auch zwiespältige Gefühle ausgelöst. Er hatte sich gewünscht, dass sie sich sofort scheiden ließe. Dass sie ihm gehöre, wie er sich ausgedrückt hatte.
Aber sie hatte niemandem außer sich selbst gehören wollen.
Als Pierre und sie sich erhoben hatten, war ihr aufgefallen, was ihr schon viel früher hätte auffallen sollen. Karlgren, der das Sommerhaus neben ihrem besaß, hatte ein paar Tische weiter im Halbdunkel gesessen und sie angestarrt. Dass er, was er mitbekommen hatte, für sich behalten würde, war zu viel verlangt.
Egal, hatte sie gedacht und ihm auf dem Weg nach draußen zugenickt, als könnte sie es sich endlich gestatten loszulassen.
»Hallo, Cecilia. Erkennst du mich?«
Vielleicht. Aber sie hatte das Gefühl, dass irgendetwas an ihm komisch war. Das war unbequem. Sie versuchte nachzudenken. Aber das kostete Kraft. Ständig kamen Leute und sagten, sie würden sie kennen, und sie konnte sich nicht erinnern, es gelang ihr nicht herauszukriegen, inwiefern sie wohl befreundet sein könnten.
Egal, dachte sie. Ich muss mich daran gewöhnen. So allmählich wird vermutlich alles klarer. Dann, wenn nicht mehr alles so zäh wie Sirup ist, werde ich weitersehen.
»Jonathan«, sagte er und strich sich mit der Hand über das Haar, das er mit einem Gummiband zusammengebunden hatte.
»Hallo …«
»Dir steht kurzes Haar«, sagte er.
Sie sah ihn skeptisch an.
»Das wächst nach«, fügte er hinzu.
Damit ich wieder so bin wie früher, dachte sie, hatte aber nicht die Kraft, den Mund zu öffnen. Auch nicht, ihn ganz zu schließen. Halb offen – wie bei einer Idiotin.
»Ich wollte sehen, wie es dir geht«, fuhr er fort.
Weshalb?
Sie wusste nicht, ob es ihr recht war, dass er auf dem Lehnstuhl in ihrem Zimmer saß. Sie fühlte sich nicht sicher in seiner Gesellschaft.
»Ich war noch nie in Orup«, sagte er. »Das ist also gleichzeitig auch etwas Neues. Sehr schön ist es hier mit dem Buchenwald und der Aussicht, das reinste Erholungsgebiet, sogar eine Minigolfbahn und einen Tierpark gibt es.«
Tierpark!
Sie sah ihn finster an.
»Sehr friedlich alles«, fuhr er fort. »Wirklich ein guter Ort, um sich zu erholen.«
Sie sah immer noch finster aus. Konnte ihn nicht aus den Augen lassen.
»Ja, wie gesagt, ich wollte nur sehen, wie es dir geht … Schließlich wollten wir ja Freunde bleiben.«
Wollten wir das, dachte sie und wünschte sich jeden anderen Besucher, nur nicht ihn. Denn jetzt hatte sie sich an die Stimme gewöhnt und erkannte den weichen Klang wieder, fast so milde wie bei einer Frau. Langsam kehrte die Erinnerung zurück. Bilder tauchten auf. Unzusammenhängend. Und hauptsächlich Geräusche und Gerüche. Ein warmes Bett. Körper. Schweiß. Mann. Sperma.
Wieder überkam sie diese Müdigkeit. Es fiel ihr schwer, ihr zu widerstehen. Sie war wie eine Stahltür, die sich automatisch schloss.
Sie wollte ihn loswerden.
Aber er blieb sitzen. Lehnte sich zurück und schlug das eine lange Bein über das andere.
Was wollte er?
»Freut mich, dass es so gut gegangen ist«, meinte er.
Sie wusste nicht, wie es sonst hätte gehen können. Aber klar, hier war alles in Ordnung.
»Woran erinnerst du dich eigentlich?«
Seine schönen Zähne strahlten sie an, und sie spürte plötzlich, wie sehr sie dieses Lächeln mochte. Es war vertraut und warm. Ihr Herz schlug schneller, gleichzeitig war sie verwirrt. Sollte sie nicht vorsichtig sein?
Aber sein Haar war anders. Es fiel nicht mehr in weichen Locken herab, sondern war zurückgekämmt.
»Erinnern?«, sagte sie.
»Ich dachte nur, es muss ziemlich schlimm gewesen sein, niedergeschlagen zu werden …«
Was weiß ich, dachte sie und zuckte ganz leicht mit den Achseln. Es war wie ein schwarzes Loch.
»An wie viel kann man sich eigentlich erinnern?«, beharrte er.
Sein Mund war nicht mehr derselbe. Gierig lächelnd wartete er auf die Antwort.
Was wollte er?
Sie wollte ihn nicht dahaben. Später würde die Polizei kommen und sie vernehmen, hatte man ihr gesagt. Aber er war kein Polizist.
»Du weißt,
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