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Verdacht auf Mord

Verdacht auf Mord

Titel: Verdacht auf Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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was los war. Sie hoffte es beinahe. Schadenfreude als die einzig wahre Freude. Sie hoffte, dass er gemerkt hatte, dass sie nicht daran geglaubt hatte, dass er nach dieser Sache mit der Schülerin seine Eskapaden aufgegeben hatte. Eva-Lena mit den unanständigen flammenroten Haaren hatte in ihrer Küche gesessen und geglaubt, dass sie rein gar nichts kapierte.
    An jenem Tag auf Gotland, als sie mit Jan nach Visby gefahren war, war der Himmel wolkenlos gewesen. Er hatte nicht protestiert, als sie sich ans Steuer gesetzt hatte. Sie hatte eingesehen, wie es um ihn stand, und es hatte sie wirklich ganz schön nervös gemacht, dass er ausgerechnet da krank geworden war. Wenn es etwas Ernstes mit einer langen Genesungszeit war, konnte sie ihn ja schlecht verlassen. Bis zu seinem Tod an ihn gekettet zu sein hatte ihr Angst eingeflößt. So war es früher nicht gewesen. Da hatte sie der Gedanke, dass er sie verlassen könnte, mit Schrecken erfüllt.
    Sie hatte für die Woche ihrer Rückkehr aus Gotland einen Termin bei Doktor Björk vereinbart. Sie hatte extra zugesehen, dass er zu Björk kam, da dieser ein erfahrener Arzt war und wusste, wie man Jan nehmen musste. Sie hatte den Eindruck gehabt, dass es sich nur um eine zunehmende Unruhe handele. Altersschwerhörigkeit und Schwindel waren ungefährlich, aber Körper und Seele hingen nun einmal zusammen. Körperliche Schmerzen beeinträchtigen das seelische Wohlbefinden. Jedenfalls war es deprimierend, andauernd Schmerzen in Schach halten zu müssen. Oder umgekehrt. Seelische Not führte gelegentlich zu den verblüffendsten körperlichen Symptomen. Ohrensausen, Schwindel, eingeschränkte Wahrnehmung und Herzrasen.
    Sie hatte erkannt, dass Jan an einer Altersparanoia litt. Er hatte sich ungemein vor dem Altern gefürchtet. Diese Angst hatte mit jedem Jahr zugenommen. Hatte ihn abgeschottet. Hatte dazu geführt, dass er sich kaum noch zu bewegen wagte. Sie dagegen hatte es genossen, ihr Dasein immer mehr im Griff zu haben. Sich nicht mehr nur nach anderen richten zu müssen, nach den Kindern und Jan. Aber Jans Selbstbild hatte immer nur auf Stärke gebaut, jedoch nicht unbedingt körperlicher Art, er war definitiv kein Bodybuilder gewesen. Nein, er hatte eher das Gefühl gehabt, allem gewachsen zu sein. Nicht zuletzt den Schülern.
    Er hatte kaum über sich geredet. Sie selbst glaubte zwar auch nicht daran, dass es immer besser sei, laut zu jammern, aber irgendwann musste schließlich alles raus. Und es hatte zweifellos Dinge gegeben, über die er besser ein zweites Mal nachgedacht hätte. Seine Angst und seine Panik waren aus vielen Quellen gespeist worden. Wie erbärmlich und feige er doch gewesen war! Bei näherem Nachdenken wäre sie selbst angesichts solch großer Versündigungen ebenfalls zurückgeschreckt und hätte auf die Vergesslichkeit der Leute gehofft oder auf ihre Vergebung oder ihren Willen zur Versöhnung.
    Im Verlauf des Sommers hatte sie das Autofahren übernommen und noch vieles mehr. Aber beim Wechseln der Plumpskloeimer hatte er mithelfen müssen. Im Übrigen hatte er sich kaum bewegt. Spätnachmittags, wenn es kühler geworden war, war er langsam an den Strand gegangen. Er hatte auf seinem alten Bademantel im Sand gesessen und zugesehen, wie die Abendbrise das Wasser kräuselte. Und sie hatte darüber kein Wort verloren.
    An jenem Tag, als sie nach Visby gefahren waren, hatte er Bücher ausleihen und Zeitungen lesen wollen. Also hatte sie ihn vor der Bibliothek in Almedalen abgesetzt. Sie erinnerte sich nicht mehr, welche Erledigungen sie selbst vorgeschützt hatte, aber sie hatte am Söderport außerhalb der Stadtmauer geparkt. Pierre hatte auf einer der Bänke auf dem Södertorget gewartet. Er war von Sysne in die Stadt gefahren.
    Dass sie immer noch genauso viel füreinander empfanden wie damals, als sie jung gewesen waren! Es war ein himmlisches Gefühl gewesen, als sie sich im vergangenen Jahr in der Stadt begegnet waren. Er war gerade aus Lund eingetroffen, um aushilfsweise in der Klinik zu arbeiten. Sie hatte schlagartig das Tal des Todes durch das Himmelreich ersetzt. Ihr Leben war wieder leidenschaftlich geworden, obwohl ihr ihr Gewissen anfänglich sehr zu schaffen gemacht hatte. Aber sie hatte sich daran gewöhnt. Pierre hatte noch weitere Wochen in Oskarshamn organisiert. Und dazwischen hatten sie telefoniert. Sie hatte die Telefonrechnungen stets verschwinden lassen. Glücklicherweise war sie für die Rechnungen zuständig gewesen. Sie hatte

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