Verdacht auf Mord
gewusst. Vielleicht hatte Emmys Mama auch ein schlechtes Gewissen, dass sie Trissan dorthin geschickt hatte. Dass sie, ein noch so junger Mensch, so etwas Fürchterliches hatte entdecken müssen. Vielleicht dachte Emmys Mama ja, dass sie direkt die Polizei hätte anrufen sollen. Sie hatte dies zwar mit keinem Wort erwähnt, aber Trissan hatte den Eindruck gewonnen, dass sie so oder in ähnlichen Bahnen gedacht hatte. Aber Trissan hatte großzügig abgewehrt.
»Es war doch eine Selbstverständlichkeit, dorthin zu fahren«, hatte sie mit einem Lächeln gesagt.
Das hatte ihr einen gewissen Heldenstatus verliehen. Bei näherem Nachdenken war es vielleicht doch nicht ganz so selbstverständlich, einen jungen Menschen an einen Ort solch tragischer Handlung zu schicken. Aber das bekümmerte sie jetzt nicht. Jedenfalls nicht so sehr wie der Gedanke an die Beerdigung.
Es war aber trotzdem schön, dass Emmys Mama sie mochte. Alles wurde dadurch so einfach. Emmys Mama hatte sie umarmt und geweint, und alles war so selbstverständlich gewesen. Sie hatte sich an ihr festgeklammert, als wäre sie ein Teil von Emmy. Keine bösen Worte. Nichts Merkwürdiges. Nur Trauer. Emmys Mama und Papa waren vollkommen am Boden zerstört. Aber sie konnte es verkraften.
Nach und nach hatte sie sich während der letzten Tage den unbehaglichen Gedanken gestellt. Seit sie auseinander gezogen waren, war ihr Verhältnis zu Emmy so seltsam geworden. Es war schwierig gewesen, und sie wusste nicht, woher das gekommen war. Hatte sie Emmy genervt, ohne dass sie das selbst gemerkt hatte? Falls das der Fall gewesen war, konnte sie nichts dafür.
Aber immerhin war bei ihrer letzten Begegnung alles beim Alten gewesen. Zum Glück!
Das war gewesen, als sie Cecilia besucht hatten, die Ärmste. Ob sie wohl je wieder normal werden würde?
Bei diesem Gedanken schauderte es sie. Sie überlegte sich, was wohl schlimmer war, einen Dachschaden zu erleiden wie Cecilia oder ermordet zu werden wie Emmy.
Sie blätterte im Sydsvenska Dagbladet . Emmy wurde nicht mehr erwähnt. Ihr Tod war keine Nachricht mehr. Ein Zeitungsbote war niedergeschlagen worden, darüber gab es einen großen Artikel. Zwei Wellensittiche waren entflogen, weil die ambulante Hauspflege nicht aufgepasst hatte, stand in einer Notiz.
Sie hatte lange darüber nachgegrübelt, wer wohl der Täter sein könnte. Meist waren die Täter im engsten Umfeld zu suchen, das wusste sie. Vollkommen unbekannte Täter waren seltener.
Es war unbehaglich, den ganzen Bekanntenkreis nach möglichen Mördern durchzugehen. Man sah ihn plötzlich mit ganz anderen Augen. Sie hatte so gut wie alle Bekannten unter die Lupe genommen und sich vorgestellt, wie sich ihre Gesichter plötzlich verzerrten, ihnen Draculazähne wuchsen und sie sich in das personifizierte Böse verwandelten.
Ihre Mutter hatte am Vortag angerufen und die Ansicht vertreten, Trissan solle heim nach Ystad kommen und sich ein paar Tage ausruhen. Am Meer spazieren gehen, gut essen. Sie hatte ihr geraten, die nächste Prüfung sausen zu lassen. Man muss manchmal auch nett zu sich selbst sein, hatte sie gesagt, und da hatte Trissan angefangen zu heulen. Ihre Mama war mindestens genauso lieb wie die von Emmy. Sie hatte ihr auch vorgeschlagen, mit dem Öresundzug zum Shoppen nach Kopenhagen zu fahren.
Aber sie war unentschlossen. Als wagte sie nicht, Lund zu verlassen. Es geschah einfach so viel. Sie wollte da sein, wenn sie ihn schnappten. Sie hatte der Polizei außerdem versprochen, in der Nähe zu bleiben, falls sie ihre Hilfe benötigten.
Sie holte sich noch eine Tasse Kaffee. Sie nahm keinen Zucker mehr. Das waren nur Idioten, die Kaffee mit Zucker tranken.
Karl war ihr am unbegreiflichsten. Sie blies auf ihren heißen Kaffee. Emmy hatte geglaubt, Trissan hätte nichts bemerkt, aber es war überdeutlich gewesen, dass sich Emmy in Karl verliebt hatte. Das war ihr bereits aufgefallen, als sie noch in der Gyllenkroks Allé gewohnt hatten und er Cecilia dort besucht hatte. Emmy hatte sich dann immer bei Cecilia zu schaffen gemacht. Cecilia war immer recht cool geblieben. Offenbar war es ihr egal gewesen, dass Emmy für Karl geschwärmt hatte und so an ihm interessiert gewesen war. Vielleicht war sie sich seiner ja vollkommen sicher gewesen. Oder er war wirklich mit einem anderen Mädchen zusammen gewesen, das Cecilia gekannt hatte.
Sie zweifelte jedoch daran, dass Karl dazu fähig gewesen wäre, Emmy zu ermorden. Das würde sie wirklich enttäuschen
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