Verdacht auf Mord
richtete sich auf, und da war es auch schon vorbei.
Sie hatte noch nichts gesagt. Das war unfair, dessen war sie sich bewusst. Sie wollte nur noch ein paar Tage abwarten, um sicherzugehen, dass sie nicht doch noch zu bluten begann. Und dann wollte sie auch den richtigen Moment abwarten. Wenn es einmal ruhig war und sie seine Reaktion registrieren konnte.
Der Volvo war randvoll beladen. Nicht einmal mithilfe eines Schuhlöffels hätte man noch etwas hineinquetschen können. Sie setzte sich auf den Rücksitz neben Klara, da auch der Beifahrersitz vollgepackt war. Auch hinter Klaras Kindersitz und bei ihren Füßen war alles voll. Sie fühlte sich eingesperrt. Aber sie mussten ja nur dreieinhalb Stunden fahren, nach Lund. Vermutlich mussten sie zwischendurch Rast machen und Klara die Windel wechseln.
Claes setzte zurück. Langsam fuhr er durch ihre schmale Straße, die gerade erst erwacht war. Hübsche Holzhäuschen. Idylle. Sie hatten es gut getroffen. Sie näherten sich dem Doppelhaus, das an einen Bunker aus der ehemaligen DDR erinnerte. Ein Mann kam angeradelt und bog auf das Grundstück ein. Veronika drehte sich nach ihm um. Claes erkannte das Fahrrad.
»Ist das jemand, den du kennst?«
Er hatte im Rückspiegel gesehen, wie sie sich umgedreht hatte.
»Nein. Kennen ist zu viel gesagt, aber ich weiß, wer das ist. Er arbeitet bei uns manchmal vertretungsweise als Anästhesist.«
»Ach so.«
Dass dieser Mann zu Nina Bodén wollte, ließ ihn nicht los. Vermutlich stimmte sein Verdacht ja. Es hatte da jemanden hinter den Kulissen gegeben. Trotzdem erstaunte es ihn nun, dass er tatsächlich Recht gehabt hatte.
Während er sich durch den Vormittagsverkehr schlängelte, ging ihm der Mann auf dem Fahrrad nicht aus dem Sinn. Alle wollten zum Einkaufen in die Stadt, da Samstag war.
Er könnte Louise Jasinski anrufen und sie bitten, ihn zu überprüfen. Sie konnte auch Peter Berg oder Erika Ljung vorbeischicken, falls sie selbst keine Zeit hatte. Alle wussten einigermaßen, worum es ging. Janne Lundin war verreist, sonst hätte er ihn gebeten.
»Weißt du, wie er heißt?«, fragte er Veronika.
Sie starrte geradeaus, um ihren instabilen Magen in Schach zu halten. Sie dachte nach.
»Pierre Elgh«, erwiderte sie. »Warum fragst du?«
Er zog sein Handy hervor und verlangsamte, sodass sie den Kolbergavägen regelrecht entlangkrochen. Dann drückte er die Kurzwahltaste für Louises Nummer. Eine ihrer Töchter war am Apparat. Er wurde noch langsamer und legte den zweiten Gang ein. Die Tochter schrie nach Louise. Er hörte Schritte auf das Telefon zu. Louise klang fröhlich. Aber das wird sicher gleich anders, dachte er.
Er trug ihr sein Anliegen vor. Sie wurde nicht sauer und stöhnte weder, noch klang sie kurz angebunden. Sie versprach, jemanden vorbeizuschicken und dann wieder von sich hören zu lassen.
»Worum geht es eigentlich?«
Veronika beugte sich vor. Er sah ihr erstaunlich angestrengtes Gesicht im Rückspiegel.
»Um einen Mord.«
Therese-Marie Dalin hatte die Treppe genommen und befand sich auf der schmalen Bytaregatan, auf der keine Autos fahren durften und die bereits voller Flaneure war. Sie ging ins Ebbas, das sich in einem niedrigen alten Haus befand, das zwischen einem älteren und einem neueren Mietshaus eingeklemmt lag, und bestellte Frühstück. Schwarzen Kaffee und ein Croissant, ihr gefielen die französischen Sitten. Es war ihr egal, dass das ungesund war. Haferbrei, Dickmilch oder Müsli waren nichts für sie.
Sie brauchte jetzt Trost. Den brauchte sie eigentlich jeden Tag. Sie hatte schlecht geschlafen. Frühstück um zehn Uhr. Immerhin war sie nicht so tief gesunken, dass sie halbe Tage verschlief. Sie hätte eigentlich lernen müssen, aber das ging nicht.
Bald würde sie auf eine Beerdigung gehen. Sie war noch nie auf einem Begräbnis gewesen, hatte das immer nur im Kino gesehen. Sie hatte Angst vor den großen Gefühlen. Davor, wie man sich zu verhalten hatte. Vielleicht konnte sie sich eine Ausrede einfallen lassen, aber wahrscheinlich würde sie sich nur noch elender fühlen, wenn sie einfach davonlief.
Emmys Mutter war so froh gewesen, mit ihr reden zu können. Sie wusste den Kontakt mit einer von Emmys wunderbaren Freundinnen zu schätzen. Dass Trissan an diesem betrüblichen Tag in den Örnvägen gekommen war, hielt die Mutter für eine gute Tat. Dass sich Trissan so großzügig Zeit genommen hatte. Obwohl es so schrecklich gewesen war. Aber das hatte man da ja noch nicht
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