Verdacht auf Mord
und ihr das Gefühl geben, sich nie wieder auf ihr eigenes Urteil verlassen zu können.
Wieso hätte er auch Emmy etwas antun sollen? Schließlich schien er sie ja gemocht zu haben, auch wenn er nicht unbedingt in sie verliebt gewesen war.
Es sei denn, er wäre von Sex besessen gewesen. Hinter der harmlosen Fassade eines idealen Schwiegersohns, von dem alle Mütter nur träumen konnten, verbarg sich vielleicht ein supergeiler Volltrottel! Von so etwas hatte man schließlich schon gehört. Das ganze Internet war voll davon. Die waren voll krank im Kopf und benutzten Ketten, Latex, Peitschen und weiß der Himmel was in schwarzen Kellerlöchern.
Vielleicht hatte Karl sie ja zu etwas gezwungen? Und als sie nicht gewollt hatte, hatte er sie erwürgt …
Sie stellte die Kaffeetasse ab und schaute durch das Sprossenfenster. Nein, so war er nicht. Dieser Gedanke war abwegig, ließ sich jedoch weiterspinnen.
Waren Emmy und Karl vielleicht zusammen gewesen, bevor sie ermordet wurde? Das hätte sie gerne gewusst. Aber sie kannte ihn nicht so gut, als dass sie ihn hätte fragen können. Es wäre ihr jedenfalls wie ein Verrat vorgekommen. Cecilia hatte schließlich keine Chance gehabt, das zu verhindern. Schließlich war sie da draußen in diesem Genesungsheim oder was das jetzt immer war. Reine Verbannung. Man brauchte ein Auto, um dorthin zu kommen. Oder man musste die Energie aufbringen, mit dem Pågazug nach Höör zu fahren und von dort aus den Bus zu nehmen. Das hatte sie gestern Karl erzählt, woraufhin er behauptet hatte, dass er rausfahren wolle. Sie hatte geschwiegen. Soweit sie wusste, besaß er kein Auto, was in Lund auch nicht nötig war.
Ein leises Gefühl der Eifersucht stieg in ihr auf.
Er hat so schöne Augen, dachte sie sehnsüchtig.
Veronika saß schweigend auf dem Rücksitz. Sie hatten die Stadt noch nicht hinter sich. Sie hielten an der Ampel auf der Norra Fabriksgatan in Richtung Folkhögskolan.
»Mord«, sagte sie dann. »An wem?«
Claes wurde sich plötzlich bewusst, dass sie die dramatische Entwicklung nicht kannte. Sie war kaum zu Hause gewesen und hatte außerdem alle Hände voll zu tun gehabt.
»Du kennst ihn nicht«, erwiderte er, als es grün wurde. »Er wohnte in diesem Ziegeldoppelhaus in unserer Straße.«
Sie schwieg. Starrte auf die Straße. Runzelte dann die Stirn.
»Wie sieht er aus? Ich meine, wie sah er aus?«
Meine Güte, dachte Claes.
»Tja, recht durchschnittlich, würde ich sagen. Lehrer.«
Als sei damit alles gesagt.
»Etwas mehr wirst du doch wohl noch über ihn sagen können?«
»Fortgeschrittenes Alter, mittelgroß, aschblondes, schütteres Haar.«
»Wie wurde er ermordet?«
»Von hinten erdrosselt, glaubt man.«
»Unerfreulich, dass so etwas bei uns in der Straße passiert. Vielleicht sollten wir uns ja doch eine Alarmanlage zulegen?«
Sie hatten davon gesprochen, als Småland von einer Einbruchswelle heimgesucht worden war und die roten Holzhäuschen mit den weißen Fensterrahmen unerwünschten Besuch erhalten hatten. Aber dann war nichts daraus geworden. Vermutlich hatten sie dann doch gefunden, dass so etwas vor allem in Großstädten vonnöten sei. Im kleinen Oskarshamn brauchte man so etwas doch wohl nicht.
»Es ist nicht hier passiert, sondern in Lund. In der Uniklinik, um genau zu sein. In diesem Block, so heißt das Ding wohl. Ja, du weißt schon.«
Sie saß wie versteinert da. Bilder tauchten vor ihrem inneren Auge auf, die sie wiedererkannte. Sehr gut sogar. Ein Mann von zu Hause eilte an ihr vorbei. Vielleicht war das zu viel gesagt. Er hatte eher geschwankt. Mit Angst im Blick. Sie hatte so etwas nicht zum ersten Mal gesehen. Ruckartige Bewegungen, voller Anspannung und Aufregung. Die pure Angst, eine Panikattacke, vielleicht sogar Todesangst.
Sie versuchte sich die Situation wieder zu vergegenwärtigen. Sie zurückzurufen. Die Sequenz zu stoppen, um sie deutlicher sehen zu können.
Sie waren auf dem Weg zum Kreisverkehr am Folkets Park und wollten gerade auf die Landstraße 23 abbiegen, als Claes auffiel, wie versteinert Veronika auf dem Rücksitz wirkte. Ihre starren Augen waren weit aufgerissen, als sähe sie etwas in weiter Ferne.
Er versuchte ihren Blick im Rückspiegel aufzufangen.
»Veronika. Ist was?«
»Ich glaube, ich habe ihn gesehen«, erwiderte sie ruhig.
Wäre es möglich gewesen, hätte er unverzüglich den Wagen gestoppt, aber sie befanden sich auf der rechten Spur. Linkerhand befanden sich das Krankenhaus und eine Reihe
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