Verdacht auf Mord
gewaschen, dass sie sich behaglich anfühlten. Sie strich sich mit dem einen Fuß über ihre juckende Wade. Die Fußsohle war rau, die Haut trocken wie Sandpapier. Fußbad, dachte sie. Wie bei einer Schlange löste sich ihre Haut ab, und zwar am ganzen Körper, obwohl sie sich nach allen Regeln der Kunst eingecremt hatte.
Vertrautes Licht drang durch die vorgezogenen Gardinen des Schlafzimmers herein. Spätsommergelbe Sonnenstrahlen, müde und etwas vorsichtig und bedeutend weicher als das blendend weiße Tageslicht in Griechenland.
Der Herbst nahte, die Wehmut in ihrer Brust nahm zu, und dennoch mochte sie diese Jahreszeit trotz ihres Anflugs von Vergänglichkeit und Moder. Nach dem Sommer begann das neue Jahr, nicht am ersten Januar. Da war es meist schon zu spät. Nach der vielen Freizeit waren die Kräfte am größten, und neue Möglichkeiten taten sich auf. Das hatte sie bereits in der Schule gelernt. Neues Schuljahr, neue Lehrer, neue Aussichten darauf, sich zu verbessern. Ganz einfach eine neue Chance. Danach wurde alles wieder kompliziert.
Jetzt würde für die kleine Klara ein neues Dasein anbrechen. Sie würde im Kindergarten anfangen.
Es war bald neun Uhr. Kurz vor Mitternacht waren sie vor dem Haus aus dem Taxi gestiegen. Die unausgepackten Taschen standen noch unten in der Diele.
»Hast du gerufen?«
Claes stand nur in Unterhosen und T-Shirt und mit ihrer Tochter auf dem Arm in der Tür. Sie waren die schönsten Menschen, die sie sich vorstellen konnte. Sie lächelte unter ihrer Decke. Claes’ Nasenrücken und Wangen waren vom Wetter gerötet. Er hätte eine Mütze tragen sollen, aber er hörte ja nicht auf sie. Ihre Tochter hatte natürlich einen Sonnenhut getragen, und sie hatten sie mit einer Sonnencreme mit hohem Sonnenschutzfaktor eingecremt.
»Nein, eigentlich nicht«, antwortete sie. »Ich wollte nur mitteilen, dass es schöner ist, zu Hause zu schlafen.«
Sie streckte ihre Arme nach Klara aus. Als sie mitten in der Nacht nach Hause gekommen waren, war ihre Tochter vollkommen aufgedreht gewesen. Sie hatten sie zwischen sich ins Bett genommen. Zum Schluss war sie eingeschlafen.
Die Reise war lang gewesen. Erst die Überfahrt mit dem Schiff, dann weiter mit dem Bus zum Flughafen auf Kos, schließlich der Flug heim nach Schweden. Es war Veronikas erste Hochzeitsreise gewesen, obwohl sie schon eine Ehe hinter sich hatte. Damals war nichts daraus geworden. Sie hatten es auf den Geldmangel geschoben. Sie waren jung gewesen und hatten vielleicht nicht begriffen, dass es Dinge gab, die man nicht verbummeln sollte. Aber Claes und sie hatten sich auf den Weg gemacht, und Klara hatten sie mitnehmen müssen, denn sie war noch zu klein, um der Obhut anderer anvertraut werden zu können. Mit einem Kleinkind zu reisen war erstaunlich gut gegangen. Sie hatten ihr Tempo drosseln müssen und waren in einen trägen und angenehmen Trott verfallen.
Es war ihre erste Reise nach Griechenland gewesen. Das Reiseziel hatten sie mehr auf gut Glück ausgesucht. Sie hatten sich eine überschaubare Insel in der Ägäis ausgesucht, Kalymnos. Eine von tausend Inseln.
Sie gingen in die Küche hinunter. Claes nahm Brot aus dem Gefrierschrank und legte es zum Auftauen in die Mikrowelle.
»Wir haben keine Milch«, sagte er enttäuscht.
»Dann musst du deinen Kaffee eben schwarz trinken.«
Veronika öffnete das Küchenfenster. Das Haus hatte eine Woche lang leer gestanden. Die hereinströmende Luft war kühl und frisch. Claes ging im Bademantel zum Briefkasten.
»Meine Güte, wie der Rasen gewachsen ist«, sagte er, als er zurückkam und die Zeitungen auf den Küchentisch warf. »Mach dir darüber jetzt keine Gedanken.«
»Tu ich ja nicht. Aber er mäht sich nicht von selbst.« Veronika machte Klara ein Brot und kochte gleichzeitig Kaffee. Ihre Tochter saß in ihrem Kinderstuhl und trug ein Lätzchen. Claes vertiefte sich in die Zeitung. Als er bis zum Sportteil weiterblätterte, funkelte sein breiter goldener Ehering. Ob er ihn wohl anbehält?, fragte sie sich. Ihr Exmann hatte Ringe unbequem gefunden. Seiner war zu eng gewesen. Das hatte er jedenfalls gesagt, als er ihn schon recht bald auf ein Bord im Badezimmerschrank gelegt hatte. Dort war er dann liegen geblieben. Sie war enttäuscht gewesen, hatte sich aber nichts anmerken lassen, denn sie glaubte an Freiwilligkeit in Dingen der Liebe. Sie hatte nicht eingesehen, dass sie bereits zu dieser Zeit der Bitterkeit, die dann nur noch zunahm, einen Platz eingeräumt
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