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Verdacht auf Mord

Verdacht auf Mord

Titel: Verdacht auf Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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geduschtes Haar in alle Richtungen stand. Er hatte wild gestikuliert und den Pestosalat verschlungen, den sie zubereitet hatte, während sie auf ihn wartete. Gleichzeitig hatte sie Radio gehört. Eine Sendung über die abhanden gekommene Stille hatte ihre Aufmerksamkeit geweckt. Die Stimme aus dem Radio hatte sich mit der immer noch präsenten, schmerzlichen, aber nicht unangenehmen Begegnung mit Cecilias Mutter vermischt. Jemand hatte ihr ins Ohr geflüstert, war in sie hineingekrochen, beruhigend wie eine schlafende Katze.
    Leo hatte einfach weitergeplappert. Seine ärztlichen Anordnungen referiert, Schritt für Schritt, ohne ein Detail auszulassen. Musste sie das wirklich alles erfahren? Aber er hatte es loswerden wollen. Er hatte begeistert erzählt, wie er gedacht und untersucht und Überweisungen zum Röntgen und in die Frauenklinik geschrieben hatte. Er hatte herumtelefoniert, glücklicherweise daran gedacht, Labortests zu bestellen, vielleicht hatte er auch etwas übersehen, aber das würde sie nicht erfahren. Dann war es in den OP gegangen, und er hatte assistieren dürfen, der Chefarzt habe einen Narren an ihm gefressen, hatte er gesagt. Ihm sei natürlich nicht ganz wohl in seiner Haut gewesen, und das mit den Blutgefäßen, die sich unter dem Gewebe verbargen und nicht beschädigt werden dürften, sei auch nicht geheuer. Mit zitternder Hand habe er die Gefäße abgeklemmt und versucht, sich zu orientieren, hätte geteilt und zusammengezogen und getan, wie ihm geheißen. Der Chefarzt habe dann allerdings schließlich die Geduld verloren und ihm die Instrumente aus der Hand genommen. Irgendwann müsse man auch fertig werden!, habe er gesagt und sei dann gegangen. Er habe den Bauch dann selbst zunähen müssen. Die Verantwortung sporne an. Die OP-Schwester sei sehr nett gewesen. Sie habe sich nicht darüber geärgert, dass er sich Zeit gelassen habe. Vermutlich habe sie ihn auch gar nicht so unbegabt gefunden. Vielleicht gar etwas sicherer als die anderen Grünschnäbel.
    Er war vor Stolz fast geplatzt.
    Sie hatte ihn sauer angeschaut. Warum hatte sie ihm dies nicht einfach gönnen können?
    Aber irgendetwas hatte ihr widerstrebt, und sie hatte wie ein bockiges kleines Kind auf dem Küchenstuhl gesessen. Es war nicht das erste Mal gewesen und vermutlich auch nicht das letzte. Ihre Aufgabe war es, ihn zu bewundern. Das war ihre Rolle auf der anderen Seite des Küchentisches.
    Und dann hatte er auch noch erzählt, dass sich eines der Weiber während des Operierens um die Station hatte kümmern müssen. Seine Selbstzufriedenheit hatte sie provoziert. Das Weib, die Große mit dem Pferdeschwanz, die drei Monate nach ihm an der Klinik angefangen hatte, musste brav Schlange stehen, bis sie an der Reihe war. Das zu tun, was allen Spaß machte. Das Operieren.
    Ester hatte ihren Blick auf Leos überlegene Miene geheftet. In seinen selbstgerechten Mundwinkeln hatten auch noch Reste des Pestosalats geklebt. Irgendwas Gelbes.
    Allmählich war sie immer wütender geworden. Diese Erkenntnis, dass ihre Funktion in dieser Zweierbeziehung weder zufällig noch vorübergehend war, hatte sie geschmerzt. Ein Muster hatte sich herausgebildet. Oder war die ganze Zeit schon da gewesen. Und es würde nicht verschwinden.
    Wie ein Feldherr, der seine Truppen inspiziert, hatte er aus dem Fenster geschaut. Sie nicht wahrgenommen. Einfach unbekümmert weitererzählt. Aber wie ihr Tag gewesen war, danach hatte er mit keinem Wort gefragt.
    Eigentlich hatte er sich schon damals, als sie sich kennenlernten, nur mäßig für Schwangerschaften und Gynäkologie interessiert. Aber sie hatte angenommen, dass sich das ändern würde. Vielleicht war es ihr auch nicht so wichtig gewesen. Schließlich war es ja auch nicht unbedingt nötig, dass man sich für die Arbeit des anderen interessierte. Hatte sie damals gefunden.
    Ein frischgebackener Arzt, der jeden Tag neue Entdeckungen machte, und eine frischgebackene Hebamme, die sich offensichtlich nur mit Banalitäten beschäftigte, hatten sich also an einem einfachen Kiefernholztisch gegenübergesessen, der auf einmal die Ausmaße eines Ozeans angenommen hatte.
    Vielleicht würden sie sich ja später noch darüber unterhalten können, dachte sie, während sie die Frauenklinik, ein älteres Gebäude, das tapfer im Schatten des riesigen Zentralblocks ausharrte, umrundete. Sie mussten sich in Ruhe hinsetzen und die Angelegenheit sachlich und wie erwachsene Menschen besprechen.
    Aber wie sollte sie

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