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Verdacht auf Mord

Verdacht auf Mord

Titel: Verdacht auf Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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alles sehr fremd für Sie. Und es ist viel passiert.«
    »Danke, aber das ist nicht nötig.«
    Sie wollte nicht sagen, dass sie Schlaftabletten in ihrer Toilettentasche hatte. Sie hatte aber noch keine genommen. Aber jetzt hatte sie das vor.
    Dann schlief sie tief. Aber die Nacht war unruhig und der Schlaf brüchig wie dünnes Eis.

Siebtes Kapitel
Mittwoch, 4. September
    E ster Wilhelmsson nahm von Djingis Khan das Rad. Es war halb sieben, und sie war spät dran. Leo und sie hatten sich am Vorabend gestritten. Eigentlich hatte es zum ersten Mal so richtig gekracht, aber irgendwann war schließlich immer das erste Mal, dachte sie rasch und umfasste den Lenker fester. Sie war den Tränen nahe.
    Sie mochte keinen Streit. Wer tat das schon? Aber ihr war Streit noch verhasster als den meisten anderen. Sie war aggressionsgehemmt, wie es so schön hieß. Nicht dass sie je sonderlich darunter gelitten hätte, für gewöhnlich waren alle nett zu ihr. Auch ihre Eltern hatten sie nur mit Glacéhandschuhen angefasst. Ihre Brüder ebenso. Unsere Kleine. Unsere Prinzessin. Sie war es gewohnt, zuvorkommend behandelt zu werden und zu hören, dass sie es allen recht machte. Sie hatte richtige Schwesternhände. Fest und weich. Du bist immer so freundlich und gelassen, hatte ihre Mentorin beim Praktikum auf der Entbindungsstation gemeint. Sie hätte sich fast dagegen gewehrt. Freundlich und gelassen zu bleiben, war das ihre Rolle im Leben? Nicht selbstbewusst, albern und vorlaut wie Cecilia. Aber Cecilia hatte sicher einiges auszuhalten, aber alle fanden ja, sie habe ein dickes Fell und benötigte vielleicht geradezu etwas Widerstand, wie Leo fand. Aber Ester hatte gelegentlich geglaubt, einen traurigen Schimmer in Cecilias Augen zu entdecken. Ungerechtfertigte Anfeindungen konnte sie genauso wenig gebrauchen wie alle anderen.
    Plötzlich kam sich Ester gefangen vor. Als hätte sie sich hinter ihrer Weichheit und Verbindlichkeit versteckt. Es war an der Zeit auszubrechen. Vielleicht hatte sie sich deswegen von Cecilias Patzigkeit so angezogen gefühlt. Sie wollte sich etwas trauen. Sich einen Teufel scheren. Irgendwo musste das auch in ihr drinstecken. Weit drinnen, dort wo ihre Wut schwelte.
    Sie umfasste den Lenker noch fester. Fuhr schneller. Trat wie verrückt in die Pedale. Als sie die Professorsstaden durchquerte, hatte sie ihre Verspätung aufgeholt.
    Hebammen fiel es für gewöhnlich nicht schwer, das Kommando zu übernehmen. Wie oft hatte sie das nicht gehört. Ein seit Generationen stolzer und selbstständiger Berufsstand. Das hatte sie sich in der Einführungsvorlesung zur Hebammenausbildung sagen lassen. Sie hatte sich von dieser Energie und Kraft, die keinerlei Gemeinsamkeit mit der Verbindlichkeit und dem ewigen Lächeln, das man von ihr immer erwartet hatte, aufwies, angezogen gefühlt. Es war ein Handwerk und gleichzeitig so vieles mehr. Man musste Entscheidungen treffen, die manchmal unerhört schwierig waren. Und im gewichtigsten Augenblick des Lebens Hilfe leisten und Geborgenheit vermitteln. Bisher war sie noch keiner Hebamme begegnet, die ihre Berufswahl bereut hätte.
    Ester wusste, was ihr fehlte. Konturen. Sie fühlte sich verschwommen, wie mit irgendwie aufgeweichten Kanten. Aber wenn sie sich wehrte, rächte es sich stets. Ungut. Das brachte sie tagelang aus dem Gleichgewicht, resultierte in Magenkrämpfen und unvermittelten Heulattacken.
    An sich sind alle Menschen nett und lieben einander, dachte sie.
    Also lächelte sie eben, und dann renkte sich das Meiste von allein wieder ein, ohne dass man sich sonderlich anstrengte. Und sie liebte Leo nun mal von ganzem Herzen und konnte deswegen auch nicht einfach so mir nichts, dir nichts einschlafen. Er hingegen gähnte nur einmal herzhaft, drehte ihr den Rücken zu und schnarchte, was das Zeug hielt, was ihre Wut nur noch steigerte. Aber sie weinte nicht, was an sich schon ein Zeichen von zunehmender Entwicklung und Reife war.
    Sollte ihr gemeinsames Leben wirklich so aussehen? Er war wie eine Mauer. Und sie lag da und sehnte sich nach gegenseitigem Verständnis. Aber in welcher Sache?
    Worum war es bei dem Streit eigentlich gegangen?
    Er war spät nach Hause gekommen, hatte in der Klinik sehr viel zu tun gehabt, wie er sofort klargestellt hatte. Außerdem hatte er noch in der Gerdahalle trainiert. Nein, gegen das Training hatte sie nichts einzuwenden.
    Fast den ganzen Tag interessante Patienten, hatte er gesagt und angefangen zu erzählen, während sein frisch

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