Verdacht auf Mord
schließen und in einen tiefen Schlaf zu fallen.
Die Haustür wurde geöffnet und fiel zu. Claes und Klara waren in der Diele zu hören. Sie lag wie betäubt da. Das Glasmobile im Fenster warf die Strahlen der untergehenden Sonne in verschiedenen Farben an die Decke.
Claes stand in der Tür.
»Hast du etwas schlafen können?«
Sie nickte.
»Eine ganze Weile.«
»Wie gut!«
Ich bin mit dem besten Mann der Welt verheiratet, dachte sie zufrieden. Klara versuchte, zu ihr aufs Sofa zu kriechen. Nach ihrer Woche in Lund hing sie ständig an ihr.
»Gehst du morgen ins Humlan?«, fragte sie und strich ihr übers Haar.
Klara hörte nicht zu. Sie hielt einen lila Stift, das Werbegeschenk eines Arzneimittelherstellers, fest in der Hand und saß breitbeinig auf Veronika. Dann ließ sie sich auf den Boden gleiten, und Veronika stand auf, nahm Klara auf den Arm und ging zu Claes in die Küche. Sie setzte Klara ab und legte Claes ihre Arme um den Hals. Sie wollte ihn dafür entschädigen, dass sie morgen wieder fahren würde. Allerdings hatte er sich nicht beklagt.
»Wie lange bleibt Dan?«, fragte er, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
»Übers Wochenende. Wir lösen uns ab.«
Weitere Fragen stellte er nicht.
Zehntes Kapitel
Dienstag, 10. September
W ährend Klara im Humlan war, verbrachte Claes Claesson einige Stunden im Präsidium. Es war über eine Woche vergangen, seit Cecilia niedergeschlagen worden war. Veronika war wieder nach Lund gefahren, um dabei zu sein, während sie sie langsam aus der Narkose holten.
Die Kindergärtnerinnen beteuerten, dass sich Klara sehr gut zurechtfand. Er solle sich über ihre Tränen beim Abgeben keine Gedanken machen. Das sei normal. Recht bald sei sie dann immer fröhlich und ausgeglichen, bestätigten sie alle. Sie bezeichneten sich in ihren Rundbriefen nicht als Kindergärtnerinnen, sondern als Pädagoginnen. Der ewige Versuch, die Perspektiven anderer zu verändern und den eigenen Status zu erhöhen, dachte er. Eine Rangordnung gibt es trotzdem.
Eigentlich machte er sich größte Sorgen darüber, wie es sein würde, wenn Klara eines Tages überhaupt nicht mehr aufbegehrte, sondern ihm fröhlich zuwinkte, wie einige Kinder das taten. Wenn ihr Marie dann genauso lieb war wie er. Ein Gedanke, der sich mit seiner väterlichen Eitelkeit nicht in Einklang bringen ließ.
Jetzt saß er am Schreibtisch und beschäftigte sich mit den Papieren, die in Ordner sortiert werden mussten. Vielleicht würde er sie dann tatsächlich wiederfinden, wenn er sie einmal brauchen sollte. Das meiste war jedoch im Papierkorb gelandet. Das papierlose Büro war seiner Meinung nach nicht nur eine Utopie, sondern, was ihn betraf, gar nicht wünschenswert. Obwohl die Informationsgesellschaft unter den Papierbergen förmlich zusammenbrach, war es ihm lieber, ein Papier in der Hand zu halten, statt auf den Monitor zu starren. Was ihm entgegenflimmerte, konnte er nicht so leicht verarbeiten.
Im Dezernat hatte sich kaum etwas verändert. Man braucht nicht glauben, dass sich weltbewegende Dinge ereignen, bloß weil man eine Weile weg ist, dachte er. Es war fast ein wenig langweilig, dass alles immer noch so war wie vorher. Ein paar neue Anweisungen, Änderungen gewisser Verordnungen, ein paar neue Gesichter in der Kantine, aber das war alles.
Zum ersten Mal seit langer Zeit ertappte er sich bei dem Gedanken, ob es nicht an der Zeit sei, sich eine neue Arbeit zu suchen. Dazu würde er allerdings umziehen müssen. Das hätte er früher tun können. Jetzt war das weitaus aufwändiger. Es war sogar so aufwändig, dass er es wohl dabei belassen musste, von einer Veränderung zu träumen. Mit Frau, Kind und Eigenheim saß er fest – so wie die meisten anderen. Die einzige größere Veränderung, zu der die Leute neigten, war die Scheidung.
Louise Jasinski hatte diesen Weg eingeschlagen. Sie hatte ihr Reihenhaus verkauft und war in die Stadt gezogen. Aber zufrieden wirkte sie keineswegs, eher wütend. Aber es war auch nicht ihre Entscheidung gewesen. Sie hatte ihm einiges erzählt, als er im Erziehungsurlaub gewesen war und sie den Mord in der Waschküche aufgeklärt hatte. Sie hatte ihn zu Hause besucht und war ziemlich niedergeschlagen gewesen. Ihr Mann hatte eine andere, jüngere Frau gefunden und sich auf dem Weg zu neuer Seligkeit geglaubt. Mit anderen Worten: nichts Neues unter der Sonne, aber es stellte sich die Frage, wie lange man über eine solche Sache sprechen musste. Sie war zurzeit launisch und
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