Verdacht auf Mord
der Ferne. Sie gingen gerade am Kungshuset vorbei. Eine Gruppe Studenten stand im Schatten vor dem Portal des etwas schräg stehenden Turmes. Trissan winkte zwei von ihnen zu. Emmy hatte einen Stein im Schuh. Trissan erzählte immer noch, und sie nickte nur schweigend, hielt an und leerte ihren Schuh aus, drehte sich aber nicht um. Der Blick des Mannes brannte ihr immer noch im Rücken.
Der Junge
D er Kaffee ist stark.«
Papas Stimme ist nicht laut, nur so ruhig, dass es einem den Magen umdreht.
Mucksmäuschenstill sitzen wir um den Tisch. Filippa leckt an ihrem Eis am Stiel, ohne zu begreifen, dass es nicht so tropfen darf. Auf ihre Hand. Gleich tropft es auf die helle Tischdecke.
»Ich dachte, dir schmeckt starker Kaffee«, erwidert Mama und gießt sich se l bst eine Tasse ein.
Es ist ein Sonntag vor langer Zeit. Sie haben gerade das Abendessen beendet. Mama hat abgeräumt. Papa ist zu Hause, und wir sind alle versammelt, denn es kommt nicht so oft vor, dass er zu Hause ist. Seine Arbeit ist so wichtig, dass er oft fort ist. Er hilft anderen, die krank sind und die es schwer haben.
»Aber das hier ist ja das reinste Gift.«
Papa lässt die Tasse stehen.
Vorsichtig knabbere ich an der Schokoglasur meines Eises, damit nichts davon aufs Tischtuch fällt.
Mama hat besonders fein gedeckt. Papa will das so. Sonntagsfein mit Tischdecke und Blumen.
Blumen sind Mamas Spezialität.
Manchmal begleitet Mama Papa auf seinen Reisen. Papa findet nicht, dass Mama es nötig hat, einer Arbeit nachzugehen, die lächerlich ist. Kränze für Tote und Sträuße für Bräute können andere binden. Es ist wichtiger, dass seine Frau bei ihm ist. Denn Papa braucht sie. Papa verdient genug Geld, sodass Mama nicht arbeiten muss. Die Kinder, also Filippa und ich, müssen endlich etwas selbstständiger werden. Mama soll sie nicht so verwöhnen.
»Es schadet den Kindern nicht, bei Tante Kerstin zu sein«, sagt er.
Tante Kerstin ist nett. Sie wohnt im Nachbarhaus, und ihre Kinder sind schon erwachsen. Aber sie ist nicht so wie Mama.
»Siehst du nicht, dass sie kleckert«, sagt Papa angeekelt und schaut auf Filippas knubbelige Hände, von denen das Vanilleeis herabtropft.
Mama reißt ein Stück Küchenkrepp ab, nimmt Filippa das Eis aus der Hand und wischt ihr die Hände ab. Filippa beginnt zu heulen.
»Hier«, sagt Mama, leckt rasch das Flüssige ab und gibt Filippa das Eis zurück.
Filippa verstummt und isst weiter. Ihr Mund ist weiß. Jetzt tropft es ihr vom Kinn.
»Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Nimm dem Kind das Eis weg!«
Papa ist wütend, aber seine Stimme ist immer noch halbwegs freundlich.
Mama streift sich das Haar aus der Stirn, beugt sich zu Filippa herüber und versucht, ihr das Eis zu entwinden. Die hält den Stiel so fest, wie sie nur kann.
»Nein«, sagt Filippa mit Nachdruck.
Mama gibt auf. Filippa darf das Eis behalten. Mama fährt ihr mit Küchenkrepp um den Mund, um die Tropfen von ihrem Kinn aufzufangen.
»Dass man mit solchen Ferkeln am Tisch sitzen muss, wenn man ausnahmsweise mal freihat.«
Jetzt klingt Papas Stimme härter.
Ich weiß nicht, wo ich hinschauen soll, um Papas Augen auszuweichen.
Ich bin kein Ferkel, sieht Papa das denn nicht?, denke ich und versuche so zu tun, als wäre nichts. Ich baumle vorsichtig mit den Beinen und halte den Blick auf die Tischplatte und die Blumen in der grünen Vase gerichtet. Dann schaue ich in die Sonne, die durchs Fenster scheint und auf dem Tisch einen gelbgoldenen Fleck bildet.
Da spüre ich Papas Hand auf dem Kopf. Ich muss ihn ansehen. Ich nehme mich zusammen und wende meinen Blick den kleinen schwarzen Löchern in seinen Augen zu. Ich schaue direkt in sie hinein. Sehr rasch tue ich das.
Dann schaue ich wieder auf die Tischplatte und die Blumen.
»Und wie geht es meinem Sohn?«, fragt Papa.
»Hm«, entgegne ich und nicke.
Dann nicke ich und nicke und nicke, weil ich nicht aufhören kann.
»Doch, er ist brav«, sagt Mama und lächelt sonnig.
Da höre ich auf zu nicken und erwidere ihr Lächeln. Ich lächele Mama breit an.
Das sieht Papa.
»Kann ich vielleicht auch mal ein kleines Lächeln bekommen?«
Papa lächelt nicht, als er das sagt. Aber es bleibt einem nichts anderes übrig, als das zu tun, was er sagt. Ich zwinge also die Mundwinkel, so gut es geht, auseinander. Mein Mund lächelt gezwungen. Das ganze Gesicht ist angespannt. Ich verkrampfe meinen ganzen Körper, Arme, Finger, Bauch, und zittere fast vor Anstrengung, so sehr
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