Verdacht auf Mord
in der Gerdahalle ihre Fahrräder gleichzeitig geholt. Das war am Tag nach ihrem Besuch mit Trissan in der Klinik bei Cecilia gewesen.
Was doch alles passieren kann, wenn man Glück hat!
Oder wenn man es einzurichten weiß, dachte sie nicht ohne Selbstkritik.
Die Trainingshalle in Professorsstaden hatte die meisten Besucher im Land. Ein moderner Tempel, der alle anzog. Nicht nur Studenten und Angestellte der Universität, sondern alle. Sogar Rentner.
An einem Tag Ende des Frühjahrs hatte sie zufällig Karl auf dem Fahrrad von der Klinik kommen sehen. Sie war unter den hohen Kastanien am Helgonavägen stehen geblieben und hatte gesehen, dass er sein Rad nicht zu den unzähligen Rädern genau vor dem Eingang gestellt hatte. Er hatte es ein paar Meter weiter zu den neuen Fahrradständern geschoben.
Nach diesem Tag hatte sie ihr Rad auch dort abgestellt. Dort war wirklich mehr Platz.
Sie hatte sogar neue Zeiten gewählt. Mit dem Zirkeltraining hatte sie ganz aufgehört. Das war sonst ideal, um neue Leute kennenzulernen, da man in kleinen Gruppen von einer Station zur nächsten ging. Aber da Karl eigentlich nie dort auftauchte, sondern immer am Training mit den Gewichten teilnahm, hatte sie ebenfalls angefangen, dorthin zu gehen. Das war genauso effektiv und außerdem eine halbe Stunde kürzer.
Diese Woche liegt irgendwie was in der Luft, dachte sie.
Sie hatte ihn natürlich sofort gesehen, als die Musik angegangen war und sie losgelaufen waren. Aufwärmen. Quer durch die große, hallende Halle voller Menschen, die wie eine Elefantenherde im Kreis gerannt waren. Sie hatte seinen Kopf mit der Kurzhaarfrisur ganz außen gesehen. Sie selbst war in der Mitte gelaufen. Sie hatte geradeaus geschaut, was wichtig war, um nicht umgerannt zu werden. Sie hatte den wippenden Pferdeschwanz und den dicken Hintern des Mädchens vor sich im Auge behalten. Sie hatte so getan, als würde sie ihn nicht sehen, aber seine Anwesenheit war prickelnd gewesen.
Dann hatte sie sich eine Matte hinter dem Trainer gesucht, von der aus die ganze Halle zu überblicken war.
Sie konnte ihn von dort aus sehen, ohne dass er sie sah. Schließlich könnte ja diese Ylva da sein oder sonst jemand. Sie wollte mit ihm sprechen, wenn er allein war, um ihn oder sich selbst nicht in Verlegenheit zu bringen.
Karl war stark, konstatierte sie rasch. Sie machte die Bewegungen, ohne nachzudenken. Ihr Körper tat, was er sollte, und sie konnte sich auf anderes konzentrieren. Die ganze Zeit musste sie auf die Sprossenwand schauen, vor der Karl stand. Mit ausholenden und kraftvollen Bewegungen folgte er denen des Trainers, keine flügellahme Krähe, sondern ein richtiger Mann.
Das dachte sie auch jetzt, während sie auf der kühlen Kalksteinmauer saß und fröstelte.
Dann hatten sie die Eisenstangen vom Boden aufgehoben, um die Arme zu trainieren. Er hatte sich eine dunkelblaue genommen. Er war also einer von den Stärkeren. Achtzehn Kilo. Nicht dass sie sonst brutale Stärke und Muskeln anziehend fand, eher umgekehrt. Aber ihre früheren Überzeugungen schienen plötzlich nicht mehr zu gelten. Ihr war das Herz aufgegangen, Karl hatte ihr Eindruck gemacht. Sie hatte ihn fast schön gefunden. Sie war gerade von der grünen Eisenstange mit zehn Kilo auf die rote mit zwölf umgestiegen. Wenn Karl in ihre Richtung gesehen hätte, wäre das auch aufgefallen. Er hätte sie schwitzen und die Zähne zusammenbeißen und gleichzeitig den Versuch machen sehen, so entspannt und konzentriert wie möglich zu wirken. Er hätte ihre schmalen, zierlichen Oberarme gesehen, die durch ihr rotes Trikot besonders gut zur Geltung kamen. Sie hatte es vermieden, vornübergebeugt dazustehen. Ihr Bauch hatte noch platter gewirkt als sonst. Ihr Busen hatte sich unter der Anspannung der Brustmuskeln gehoben.
In der Umkleide war sie anschließend mit Ester zusammengestoßen. Sie war groß und durchtrainiert, hatte aber an diesem Tag etwas bedrückt gewirkt. Sie kannten sich kaum und waren sich zuletzt im Krankenhaus bei Cecilia begegnet. Emmy hätte sie gerne näher kennengelernt, aber gerade da hatte ihr die Zeit gefehlt.
Sie hatte ihren Trainingsanzug übergezogen – duschen konnte sie auch zu Hause – und war nach draußen gerannt, um am Fahrradständer zu warten.
Sie war im genau richtigen Augenblick gekommen.
Nur ein paar Sekunden später war Karl mit verschwitzten Haaren und in einem schwarzen Trainingsanzug durch die Glastür getreten.
Wie es ihr gelungen war, mit ihm ins
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