Verdacht auf Mord
allem nicht klein beigab.
Ansonsten ähnelten sich Nina Bodén und seine adrette Mutter in nichts. Das helle Wohnzimmer überraschte ihn aufs Neue. Die Sonne flutete vom Garten herein und wurde von den weißen Wänden reflektiert. Die Einrichtung war gemütlich.
Nina Bodén stand mitten im Zimmer und ließ unsicher die Schultern hängen. Ihre Kleidung war einfach und bequem, saß aber nicht sonderlich gut. Sie trug Hosen und einen Pullover. Etwas Gymnastik hätte ihr sicher nicht geschadet. Wieder hörte Claesson die Stimme seiner Mutter im Ohr: Kinn hoch, Brust raus! Und vergiss nicht, Blick geradeaus! Nie nach unten!
Wieder war er der Bote. Nina Bodéns Augen prallten entsetzt von ihm ab, als er Bericht erstattete.
»Erwürgt?«
Sie schlug die Augen nieder, erblasste und ließ sich dann auf einen Sessel sinken, wo sie wie ein zitterndes Vogeljunges auf der Kante sitzend verharrte.
»Was im Einzelnen geschehen ist, wissen wir noch nicht«, sagte Claesson.
Auch ihre Lippen waren weiß geworden. Sie hatte ihre weißen Schollpantoffeln ausgezogen. Das Schuhwerk für Leute im Pflegesektor, dachte Claesson, als er sie auf dem Wollteppich liegen sah. Nina Bodén schaute auf ihre Zehen oder was immer sich ihrem Blick darbot. Ihr Haar fiel nach vorne und bedeckte ihr Gesicht. Ihr Pony war dünn und wie ihr übriges aschblondes Haar, das ihr bis zum Kinn reichte, gerade abgeschnitten.
Claesson beherrschte mittlerweile die Kunst, nicht alles in Allgemeinplätzen zu ersticken. Wie bei seinem letzten Besuch nahm er auf dem Sofa Platz. Wir nehmen gerne unsere gewohnten Plätze ein, dachte er, strich seine Jeans über den Knien glatt und beugte sich dann vor und faltete die Hände.
Er wartete.
Am schwersten war es, ein Vertrauen aufzubauen und etwas zu vermitteln, was nur auf Vermutungen basierte. Auf reinen Hypothesen. Sie wussten noch nicht sonderlich viel. Es war verlockend, sich zu allgemeinen Spekulationen hinreißen zu lassen und diese dann mit ein paar Allgemeinplätzen abzurunden. Um überhaupt etwas zu sagen und weil es nun einmal erwartet wurde. Die Leute wollten eine richtige Antwort. Konkret und begreifbar.
Auf die Fragen, die jetzt kommen würden, ließ sich nämlich kaum antworten.
»Warum ausgerechnet er?«, murmelte sie.
Darauf wusste er natürlich keine Antwort. Genauso wenig wie auf die nächste Frage, von der er wusste, dass sie jetzt kommen würde.
»Warum ausgerechnet dort? In Lund? Das muss ein Irrtum sein.«
Der inhärente Konflikt der Katastrophe. Als bewegte man sich von einer Eisscholle zur nächsten, dachte er. Es gab eigentlich nur einen Weg. Der war einfach, aber auch schwer. Ehrlichkeit und Zeit. Zu sagen, wie es war, ohne dadurch die Ermittlung zu gefährden. Einsehen, dass die Menschen keine Maschinen waren.
Während es still wurde, konnte er nicht umhin, sich zu überlegen, was Nina Bodén wohl gerade gegessen hatte. Ein eher dezenter Geruch strömte aus der Küche. Vielleicht Fischfrikadellen. Er hatte keine Fischfrikadellen in Hummersauce mehr gegessen, seit er die Polizeihochschule besucht hatte. Mit Salzkartoffeln war das ein billiges und gutes Essen gewesen. Und außerdem sehr leicht zuzubereiten.
Sie schnäuzte sich und warf ihm einen forschenden Blick zu.
»Der Gerichtsmediziner hat Ihren Mann besonders gründlich untersucht«, sagte er mit der Betonung auf »besonders«. »Er glaubt, dass er rücklings erdrosselt worden sein könnte. Beispielsweise könnte ihm jemand seinen Arm um den Hals gelegt haben.«
Er sagte nicht, dass man das auch als Mugging bezeichnete, dass es dem Opfer kaum eine Chance ließ, obwohl die Todesangst dazu führte, dass sich die Kräfte vervielfachten. Er ging nicht auf die Details ein. Er wollte es ihr in einem Tempo erklären, in dem sie seine Antworten verarbeiten konnte.
Der Gerichtsmediziner hatte minimale Blutungen in den Halsmuskeln entdeckt sowie Punktblutungen in den Augen und Hautabschürfungen im Gesicht. Nicht viel. Nichts, was vor Gericht Bestand haben würde, jedenfalls nicht ohne zusätzliches Beweismaterial.
»Alles ist so merkwürdig! Wie kann man nur in einem Putzmittelraum sterben?«
Claesson nickte, er hatte allerdings weitaus seltsamere Orte erlebt. Eine Speisekammer, einen Kofferraum, ein Spielhaus in einem Garten und das Bett der Geliebten. Letzteres war vielleicht nicht so merkwürdig, wenn man darüber nachdachte.
»Und dann soll er auch noch ermordet worden sein?«
»Das lässt sich nicht ausschließen«, erwiderte
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