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Verdacht auf Mord

Verdacht auf Mord

Titel: Verdacht auf Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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gekommen war?
    Draußen war es kühl. Er drehte den Zündschlüssel um und fuhr langsam an. Halb versteckt hinter ein paar Büschen sah er ein Herrenrad an der Hauswand lehnen.
    Sie hat also das Rad ihres Mannes weggestellt, weil sie den Anblick nicht erträgt, dachte er. So ganz wollte ihm das aber nicht einleuchten.

    Sie musste raus. Jetzt war ihr alles egal. Außerdem brauchte sie Milch.
    Nina Bodén schlüpfte in ihre bequemen schwarzen Halbschuhe und marschierte los, den Blick stur zu Boden gerichtet. Sie versuchte es zu ignorieren, dass die Leute sie ansahen. Dass alle sich für ihre Trauer interessierten. Obwohl eigentlich noch niemand wusste, was wirklich geschehen war. Sie wussten nur von diesem Tumor. Und dass es vermutlich sein Herz gewesen sei.
    Unter normalen Umständen hätte sie sich ganz anders verhalten. Sie hätte nach links und nach rechts gegrüßt. Sie hatte bei so vielen Leuten Haus- und Krankenbesuche gemacht, dass sie vollkommen den Überblick verloren hatte. Vieles hatte man ihr im Vertrauen erzählt. Sie war durch Türen getreten und äußerst behutsam vorgegangen, denn die Leute waren sehr verletzlich, wenn sie von anderen abhängig waren. Wenn alles Private ans Licht gezerrt wurde, dann war sowohl Milde als auch Höflichkeit angebracht.
    Manchmal war es zu Hause bei den Patienten dermaßen beklemmend gewesen, dass sie am liebsten kehrtgemacht hätte und sich nach einem anderen Beruf sehnte, vielleicht an einer Maschine. Sie hatte versucht, all diese Schicksale, die sich angesammelt hatten, von sich zu schieben, war in den Wald gegangen, hatte gemalt und gebacken. Denn zu vergessen war unmöglich gewesen. Aber nach und nach war das meiste verblichen. Jede Gemeindeschwester hatte einiges zu ertragen. Sie hatte Einsamkeit, Armseligkeit und die Unfähigkeit zur Empathie erlebt. Das meiste hatte jedoch nichts mit Lieblosigkeit zu tun gehabt, sondern mit Unbeholfenheit, Angst und dem Verhaftetsein in alten Konflikten.
    Jetzt lag ihr eigenes Leben auf dem Präsentierteller. Die Behörden hatten bei ihr angeklopft. Dieser Übermacht hatte sie nichts entgegenzusetzen.
    Betroffen und am Boden zerstört, ging sie den Bürgersteig entlang. Sie war nicht mehr diejenige, die kam, sondern die, die anderen aufmachen und sie, wenn auch widerwillig, hereinlassen musste. Die Polizei.
    Ihr schwindelte, und sie versuchte, gleichmäßig zu atmen. Mehr als ängstliche, flache Atemzüge brachte sie jedoch nicht zustande.
    Ich bin ratlos, dachte sie. Ich muss jetzt einfach abwarten, es gibt nichts zu tun. Nicht das Geringste.
    Dann kam die Wut. Sie schlug mitten in ihre Ohnmacht ein und hinterließ einen tiefen, hässlichen Krater.
    Warum hatte er nicht auf eine vernünftige Art sterben können?! Als Allerletztes hatte er sie auch noch blamiert!
    Uneingestandene Gefühle wollten an die Oberfläche steigen, aber sie schluckte und unterdrückte sie. Ihr stieg der feuchte Geruch des Rasens in die Nase, und sie beruhigte sich ein wenig. Sie hoffte, dass der nächste Schub nicht sofort kommen würde, denn dann hätte sie umkehren müssen. Sie versuchte, die misslichen Gedanken von sich zu schieben, bis sie wieder auf dem Heimweg war. Dann würde sie noch eine Runde durch den Wald gehen und dort heulen und schreien können, dass es in den Kronen der Kiefern nur so widerhallte.
    Zu Hause musste sie ihr Gefühl unterdrücken, ein fast unmenschlicher Drahtseilakt.
    Sie musste sehr Acht geben, dass sie nicht alles verlor.

    Der Geruch des Rasens mischte sich mit einem schwachen Rosenduft, eine spät blühende Sorte, die am Meer wuchs. Die Nächte waren kühl, aber noch nicht kalt. Das Wasser speicherte die Wärme. Der Duft drang langsam in ihre Nase. Der Rasen war frisch gemäht und noch feucht. Sie schaute zur Seite. Lange Grashalme lagen abgemäht im Garten.
    Er mäht seinen Rasen also nicht so oft, dachte sie. Er war uneben und stark vermoost. Die Ringelblumen und Astern, die den Gartenweg flankierten, waren sehr hübsch.
    Sie ging gerade am Grundstück des Kommissars vorbei. Sie war dort natürlich auch schon früher oft vorbeigekommen. Vorsichtig hob sie den Blick, um zu sehen, ob er wohl draußen wäre. Sie bemühte sich, desinteressiert zu wirken. Wie eine zufällig vorbeikommende Spaziergängerin. Aber eine gewöhnliche Passantin hätte vermutlich ungeniert über den Zaun gesehen und den Anblick des Gartens genossen. Wozu wären sonst das Beschneiden, Mähen und die ordentlichen Beete gut gewesen?
    Erfüllt von

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