Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)

Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)

Titel: Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keigo Higashino
Vom Netzwerk:
Yukawa mied Themen außerhalb ihres Fachgebiets, seit er bemerkt hatte, dass Ishigami sich ausschließlich für Mathematik interessierte. Doch seit er auf der Universität war, hatte er in Yukawa zum ersten Mal jemanden gefunden, dessen Fähigkeiten er anerkannte und mit dem er sich freundschaftlich unterhalten konnte.
    Bald begegneten sie sich jedoch nur noch selten, denn die Wege von Mathematik und Physik trennten sich zunehmend. Wer bestimmte Leistungen erbrachte, konnte zwischen den Fachbereichen wechseln, aber keiner von beiden verspürte diesen Wunsch. Sie hatten jeweils ihren eigenen Weg eingeschlagen. Zwar teilten sie das Bedürfnis, die Welt vollständig mit ihren Theorien zu erklären, aber ihre methodischen Ansätze waren völlig entgegengesetzt. Ishigami reihte seitenweise mathematische Formeln aneinander, während Yukawa stets von wissenschaftlicher Beobachtung ausging. Stieß er auf etwas Rätselhaftes, machte er sich daran, es zu erklären. Ishigamis Vorliebe waren Simulationen, während Yukawa sich für Experimente begeisterte.
    Sie sahen sich selten, aber bisweilen kamen Ishigami Gerüchte über Yukawa zu Ohren. Aufrichtig beeindruckt war er, als er im Herbst des zweiten Jahres ihres Doktorandenstudiums erfuhr, eine amerikanische Firma habe das Patent für ein »magnetisches Zahnrad« kaufen wollen, das Yukawa entworfen hatte. Was nach dem Studium aus seinem Kommilitonengeworden war, wusste Ishigami nicht, denn er selbst hatte damals die Universität bereits verlassen. Und so waren unbemerkt über 20 Jahre verflossen.
     
    »Du bist noch immer ganz der Alte«, sagte Yukawa, als er die Wohnung betrat und zu den Bücherregalen aufsah.
    »Wie meinst du das?«
    »Deine Leidenschaft für die Mathematik. Ich glaube, in meinem ganzen Institut gibt es niemanden, der so viel Material bei sich zu Hause hat.«
    Ishigami schwieg. In seinen Regalen standen nicht nur Fachbücher, sondern auch Ordner mit Aufzeichnungen von fachwissenschaftlichen Konferenzen auf der ganzen Welt. Das meiste hatte er sich über das Internet beschafft und hielt sich deswegen für besser informiert über die moderne Welt der Mathematik als so mancher oberflächliche Wissenschaftler.
    »Setz dich doch. Ich mache uns einen Kaffee.«
    »Kaffee wäre nicht schlecht, aber ich habe etwas mitgebracht.« Yukawa zog einen Karton aus der Papiertüte, die er bei sich trug. Ein besonders geschätzter Sake war darin.
    »Das wäre doch nicht nötig gewesen.«
    »Wir haben uns so lange nicht gesehen, da kann ich doch nicht einfach mit leeren Händen bei dir auftauchen.«
    »Na gut, dann bedanke ich mich – aber dafür musst du mich Sushi bestellen lassen. Du hast doch sicher noch nicht gegessen?«
    »Mach dir nur keine Umstände.«
    »Ich habe auch noch nicht gegessen.«
    Ishigami nahm das Telefon und öffnete den Ordner mit den Restaurants, von denen er sich hin und wieder etwas bringen ließ. Er musterte die Speisekarte und zögerte kurz. Für gewöhnlichließ er sich die gemischte Auswahl bringen. Heute jedoch bestellte er zusätzlich noch Sashimi, worauf der Angestellte des Lokals ein wenig verblüfft reagierte. Es muss Jahre her sein, dachte Ishigami, dass ich mal Besuch hatte.
    »Das ist wirklich eine Überraschung«, sagte er, als er sich setzte.
    »Ein Bekannter von mir hat deinen Namen erwähnt und mich damit an die alten Zeiten erinnert.«
    »Was denn für ein Bekannter?«
    »Das ist eine seltsame Geschichte.« Yukawa rieb sich die Nase. »Bei dir war doch neulich die Polizei, ja? Ein Kommissar, er heißt Kusanagi.«
    »Dieser Kommissar ist dein Bekannter?«
    Ishigami war wie vom Donner gerührt, aber er ließ sich nichts anmerken. Gleichmütig sah er seinen früheren Kommilitonen an. Wusste er etwas?
    »Ja, wir waren im gleichen Jahrgang.«
    Was Yukawa da sagte, überraschte ihn.
    »Was für ein Jahrgang?«
    »An der Uni. Wir waren zusammen in der Badminton-AG. Man sieht es ihm nicht an, aber er hat auch an der Kaiserlichen Universität studiert. Ich glaube Soziologie.«
    »Ach? Wirklich?« Die Wolke der Unsicherheit, die sich in Ishigami ausgebreitet hatte, löste sich jäh auf. »Jetzt, wo du es sagst. Als er bei mir war, hat er einen Brief gesehen, den ich von der Uni bekommen hatte. Deshalb hat er auch danach gefragt. Warum hat er nicht erwähnt, dass wir Kommilitonen waren?«
    »Also ehrlich gesagt, sieht er in uns Naturwissenschaftlern keine Kommilitonen. Wahrscheinlich hält er uns nicht mal für dieselbe Spezies.«
    Ishigami

Weitere Kostenlose Bücher