Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
nicht, dass Misato unnötig in Berührung mit Fremden kam. Zum einen war sie sich nicht sicher, ob das Mädchen Ruhe bewahren konnte, falls das Gespräch auf den Mord käme. Zum anderen wollte sie sich ihrer Tochter nicht in Begleitung eines fremden Mannes zeigen.
»Wie ist es denn mit dir, Kudo? Solltest du nicht eigentlich mit deiner Familie zu Abend essen?«
»Gut, also zu mir.« Kudo stellte die Kaffeetasse ab und stützte die Ellbogen auf den Tisch. »Darüber wollte ich heute Abend auch mit dir sprechen.«
Yasuko sah ihn forschend an.
»Also, ich lebe jetzt allein.«
Yasuko machte große Augen.
»Meine Frau hatte Krebs. Bauchspeicheldrüsenkrebs. Sie wurde operiert, aber es war zu spät. Im letzten Sommer ist sie gestorben. Weil sie noch jung war, schritt die Krankheit schnell voran. Es ging ganz schnell.«
Er sprach in einem so gleichmütigen Ton, dass seine Erklärung in Yasukos Ohren fast unwirklich klang. Einige Sekunden lang starrte sie ihn nur an.
»Ist das wahr?«, brachte sie endlich hervor.
»Mit solchen Dingen scherzt man nicht.« Er lachte.
»Natürlich nicht, ich weiß nur nicht, was ich sagen soll.« Sie senkte den Blick und biss sich auf die Lippen. Dann sah sie auf. »Das tut mir sehr leid für dich. Das muss schwer gewesen sein.«
»War es. Aber wie ich schon sagte, es ging alles sehr schnell. Sie suchte wegen ihrer Rückenschmerzen einen Arzt auf, und plötzlich hieß es, sie hätte Krebs. Sie kam ins Krankenhaus, wurde operiert – es ging wie am Fließband. Die Zeit verstrich wie im Traum, und dann war sie nicht mehr da. Es wird ein Rätsel bleiben, ob sie selbst überhaupt wusste, was sie hatte.« Kudo nahm sein Glas und trank einen Schluck Wasser.
»Wann hast du erfahren, dass sie so krank war?«
Kudo überlegte. »Das war Ende vorletzten Jahres, also ungefähr vor zwei Jahren.«
»Ich habe damals noch im
Marian
gearbeitet, und du bist in den Klub gekommen.«
Kudo stieß ein bitteres Lachen aus.
»Klingt ziemlich herzlos, was? Die Frau liegt im Sterben, und der Mann geht in Nachtklubs.«
Yasuko war wie erstarrt. Ihr fiel partout nichts ein, was sie sagen sollte. Sie sah Kudos gutgelauntes Gesicht im Klub vor sich.
»Wenn ich eine Ausrede brauche, dann habe ich die, dass ich sehr erschöpft war. Ich brauchte etwas Abwechslung, und ich wollte dich sehen.« Er zog die Nase kraus und kratzte sich am Kopf.
Yasuko brachte noch immer kein Wort hervor. Sie dachte daran, wie es gewesen war, als sie im Klub gekündigt hatte. An ihrem letzten Tag hatte Kudo ihr Blumen geschenkt. »Halte dich wacker und sei fleißig!« – hatte er gesagt.
Wie er sich bei diesen Worten wohl gefühlt hatte? Obwohl es ihm viel schlechter gegangen sein musste als ihr, hatte er dies nicht gezeigt und ihr einen guten Neuanfang gewünscht.
»Jetzt habe ich uns die Stimmung verdorben.« Kudo zog eine Zigarette hervor, um seine Verlegenheit zu verbergen. »Eigentlich wollte ich nur sagen, dass du dir wegen meiner Familie keine Gedanken zu machen brauchst.«
»Aber was ist mit deinem Sohn? Macht er nicht gerade die Aufnahmeprüfung für die Uni?«
»Mein Sohn ist gut versorgt, meine Eltern kümmern sich um ihn. Sie wohnen näher an seiner Schule, und ich, ich kann ihm ja nicht einmal ein richtiges Abendessen machen. Und meine Mutter freut sich, dass sie ihren Enkel bemuttern kann.«
»Dann lebst du jetzt tatsächlich allein?«
»Ich gehe eigentlich nur zum Schlafen nach Hause. Leben kann man das nicht nennen.«
»Aber du hast letztes Mal überhaupt nichts davon erwähnt.«
»Ich hielt es für unnötig. Ich war ja gekommen, weil ich mir Sorgen um dich gemacht hatte. Aber ich wusste, dass dudir, wenn ich dich zum Essen einlade, Gedanken wegen meiner Frau machen würdest. Deshalb wollte ich dir jetzt lieber alles sagen.«
»So ist das also …« Yasuko senkte den Blick.
Nun kannte sie Kudos Absichten. Er gab ihr zu verstehen, dass er von nun an gern offiziell mit ihr ausgehen würde. Vielleicht mit der Aussicht auf eine gemeinsame Zukunft. Das war auch der Grund, warum er Misato kennenlernen wollte.
Nachdem sie das Restaurant verlassen hatten, brachte Kudo sie wie beim letzten Mal mit dem Taxi bis vor die Haustür.
»Vielen Dank nochmal für die Einladung«, sagte Yasuko, bevor sie ausstieg, und verneigte sich leicht.
»Darf ich dich wieder einmal einladen?«
Yasuko zögerte einen Moment, dann lächelte sie. »Ja, gern.«
»Dann gute Nacht, und grüße deine Tochter von mir.«
»Gute Nacht«,
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