Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
er um diese Tageszeit auftauchte, war ungewöhnlich, und wenn er jetzt auch noch in Begleitung kam, konnte es sein, dass sie die Sache falsch deutete. Er hoffte, es würde ihr gelingen, sich nicht allzu auffällig zu benehmen.
Während er noch seinen Gedanken nachhing, hatte Yukawa schon die Glastür aufgeschoben und ging in den Laden. Resigniert folgte er ihm. Yasuko bediente gerade einen Kunden.
»Guten Tag!« Yasuko begrüßte Yukawa mit einem liebenswürdigen Lächeln. Dann sah sie Ishigami. Erstaunen spiegelte sich auf ihrem Gesicht, und ihr Lächeln erstarrte.
»Ist etwas mit ihm?«, fragte Yukawa, der ihre Verwirrung bemerkt zu haben schien.
»Äh – nein.« Yasuko schüttelte den Kopf und lächelte unbehaglich. »Wir sind Nachbarn. Er kauft immer bei uns.«
»Ja, er hat mir von den köstlichen Bento berichtet, die es bei Ihnen gibt, und jetzt will ich selbst mal eins probieren.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen.« Yasuko verbeugte sich leicht.
»Wir waren zusammen auf der Universität.« Yukawa wandte sich Ishigami zu. »Ich habe ihn erst kürzlich zu Hause besucht.«
»Ja.« Yasuko nickte.
»Hat er Ihnen davon erzählt?«
»Ein bisschen.«
»Ach so. Was können Sie mir empfehlen? Oder was nimmt er denn immer?«
»Herr Ishigami nimmt meistens das Bento Spezial, aber das ist leider schon ausverkauft.«
»Wie schade. Was soll ich nur nehmen? Es sieht alles so gut aus.«
Während Yukawa mit der Auswahl beschäftigt war, sah Ishigami durch die Glastür ins Freie, denn er vermutete, dass die Polizei das Geschäft beobachtete. Es durfte auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass er sich vertraut mit Yasuko unterhielt.
Er warf einen Seitenblick auf Yukawa. Konnte er ihm trauen? Da er mit diesem Kommissar Kusanagi befreundet war, fand wahrscheinlich alles, was er hier erlebte, den Weg zur Polizei.
Yukawa hatte sich endlich für ein Bento entschieden. Yasuko ging nach hinten, um die Bestellung aufzugeben. In dem Moment öffnete sich die Glastür, und ein weiterer Mann betrat den Laden. Ishigami musterte ihn so beiläufig wie möglich, presste aber unwillkürlich die Zähne aufeinander. Es war der Mann in der braunen Jacke, der Yasuko neulich im Taxi bis zu ihrem Haus gebracht hatte. Ishigami hatte die beiden beobachtet. Offenbar kannten sie sich gut.
Der Mann schien Ishigami nicht zu bemerken. Er wartete auf Yasuko. Sie kam auch gleich und machte ein erfreutes Gesicht, als sie ihn sah. Der Mann sagte nichts. Er lächelte und nickte kurz, wie um zu sagen: »Wir reden später, wenn die störenden Kunden weg sind.«
Wer war dieser Mann? Woher kam er plötzlich? Ishigami hatte Yasukos Ausdruck, als sie aus dem Taxi stieg, noch deutlichvor Augen. Er hatte sie noch nie so lebhaft und angeregt gesehen. Gar nicht wie eine alleinstehende Mutter, die in einem Imbiss arbeitete. Diesem Mann zeigte sie ihr wahres Gesicht. Ihr Gesicht als Frau. Das Gesicht, das Ishigami niemals zu sehen bekommen würde.
Seine Blicke wanderten zwischen Yasuko und dem rätselhaften Mann hin und her. Er spürte die gespannte Erregung zwischen den beiden. Seine Gereiztheit wuchs.
Yukawas Bento war fertig. Er nahm es entgegen und bezahlte. »Nett, dass du auf mich gewartet hast«, sagte er zu Ishigami.
Sie verließen das
Benten-tei
, gingen die Treppe an der Kiyosu-Brücke hinunter zum Sumida und schlenderten am Fluss entlang.
»Wer war denn der Mann?«, fragte Yukawa.
»Welcher Mann?«
»Der, der eben in den Laden gekommen ist. Es sah aus, als würdest du ihn kennen.«
Ishigami war verblüfft.
»Wirklich? Nein, er war mir völlig unbekannt«, erwiderte er, darum bemüht, Fassung zu bewahren.
»So? Ist ja auch egal.« Yukawa zeigte keinerlei Argwohn.
»Was war denn jetzt eigentlich so dringend? Du wolltest doch sicher nicht nur mit mir ein Bento kaufen gehen?«
»Ja, über das Wesentliche haben wir noch gar nicht gesprochen.« Yukawa runzelte die Stirn. »Wie gesagt, löchert mich dieser Kusanagi ständig mit lästigen Fragen. Diesmal kam er zu mir, weil er weiß, dass wir uns kennen und du der Nachbar von der Bento-Frau bist. Jetzt hat er eine ziemlich unangenehme Bitte.«
»Und die wäre?«
»Offenbar hat die Polizei sie in Verdacht. Aber sie hat nicht einen Beweis gefunden, dass sie ihren Mann ermordet haben könnte. Deshalb soll sie observiert werden. Aber so etwas hat natürlich seine Grenzen. Also sollst du ein Auge auf sie haben.«
»Was? Ich soll meine Nachbarin beschatten? Das ist nicht dein
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