Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
oder?«
Kusanagi erwiderte seinen Blick. Am liebsten hätte er gefragt, was das sollte, beschloss aber, sich in Geduld zu üben. Wenn Yukawas Augen auf diese Weise funkelten, hatte er eine Vermutung.
»Gleich da drüben«, sagte Kusanagi und setzte sich in Bewegung.
Die Stelle war ungefähr 50 Meter von der Stelle entfernt, an der sie ihren Kaffee getrunken hatten. Kusanagi blieb vor einer Reihe Fahrräder stehen.
»Sie sagt, sie hätte es an dem Geländer auf dem Gehsteig angekettet.«
»Der Dieb hat die Kette durchtrennt.«
»Wahrscheinlich.«
»Dann muss er eine Zange benutzt haben …«, sagte Yukawa und nahm die Fahrräder in Augenschein. »Die überwiegende Zahl der Räder ist nicht angekettet. Warum hat er sich also eigens die Mühe gemacht?«
»Weiß ich doch nicht. Vielleicht hat das Rad ihm gefallen.«
»Gefallen?«, murmelte Yukawa wie zu sich selbst. »Und was hat ihm daran gefallen?«
»Was willst du mir eigentlich sagen?«, fragte Kusanagi nun etwas gereizt.
»Ich war ja gestern auch schon mal hier und habe beobachtet, was so vor sich geht. Den ganzen Tag über werden hier Fahrräder abgestellt. Viele davon werden nicht angeschlossen. Man könnte fast meinen, die Besitzer legten es darauf an, dass sie gestohlen werden. Warum hat sich der Mörder von all diesen Rädern ausgerechnet das ausgesucht?«
»Wir wissen nicht, ob der Mörder es gestohlen hat.«
»Gut, nehmen wir also an, das Opfer hat es gestohlen. Aber warum genau dieses Fahrrad?«
Kusanagi schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, was du mir sagen willst. Es ist ein ganz normales Fahrrad, ohne besondere Kennzeichen. Wahrscheinlich hat er einfach irgendeins genommen.«
»Nein, das auf keinen Fall.« Yukawa wedelte mit dem erhobenen Zeigefinger. »Ich sage dir, was ich vermute. Das Fahrrad war neu oder fast neu. Habe ich recht?«
Kusanagi überlegte, was die Besitzerin gesagt hatte.
»Ja, du hast recht«, antwortete er. »Sie hat es erst im vergangenen Monat gekauft.
Yukawa nickte befriedigt. »Siehst du. Deshalb hat sie es auch angeschlossen, und den Diebstahl sofort der Polizei gemeldet. Und unser Täter hat extra eine Zange mitgebracht, obwohl er wusste, dass dort jede Menge unabgeschlossener Fahrräder herumstehen.«
»Du meinst also, er hatte es auf ein neues Fahrrad abgesehen?«
»Ja, genau.«
»Und weshalb?«
»Eigentlich kann er damit nur ein Ziel verfolgt haben, nämlich,dass der Besitzer den Diebstahl anzeigt. Um daraus einen Vorteil für sich zu ziehen. Konkret heißt das, er hat damit die polizeilichen Ermittlungen in eine falsche Richtung gelenkt.«
»Du meinst, es sei falsch anzunehmen, das Fahrrad wäre zwischen elf Uhr am Vormittag und zehn Uhr am Abend gestohlen worden? Aber die Besitzerin hat das zweifelsfrei bezeugt. Das konnte der Täter doch nicht wissen.«
»Wahrscheinlich nicht. Aber er konnte damit rechnen, dass die Besitzerin den Diebstahl ihres Fahrrads am Bahnhof Shinozaki bei der Polizei melden würde.«
Kusanagi musste schlucken und starrte seinen Freund an. »Willst du damit sagen, der Diebstahl war nur ein Trick, um unsere Aufmerksamkeit auf Shinozaki zu lenken?«
»Wäre durchaus möglich.«
»Wir haben eine Menge Zeit und Arbeit investiert, um Passanten am und um den Bahnhof herum zu befragen. Wenn deine Theorie stimmt, wäre das alles umsonst gewesen.«
»Umsonst nicht. Das Fahrrad wurde ja tatsächlich hier gestohlen. Aber der Fall liegt nicht so einfach, dass man daraus etwas schließen könnte. Die Sache ist viel raffinierter und hintergründiger eingefädelt.« Yukawa machte kehrt und setzte sich in Bewegung.
Kusanagi beeilte sich, ihm zu folgen. »Wo willst du hin?«
»Nach Hause. Wohin denn sonst?«
»Warte doch.« Kusanagi hielt seinen Freund an der Schulter fest. »Ich will dich noch etwas fragen. Aus welchem Grund interessierst du dich so sehr für diesen Fall?«
»Darf ich nicht?«
»Das ist keine Antwort.«
Yukawa schüttelte Kusanagis Hand ab. »Bin ich verdächtig?«
»Verdächtig? Was soll das denn jetzt?«
»Dann kann ich doch machen, was ich will. Ich habe nicht die Absicht, euch in die Quere zu kommen.«
»Dann kooperiere mit mir. Du hast diesem Mathematiklehrer, der neben Yasuko Hanaoka wohnt, in meinem Namen etwas vorgelogen. Ich würde ihn um seine Mithilfe bei unseren Ermittlungen bitten. Da habe ich ja wohl das Recht zu fragen, was du damit bezweckt hast.«
Yukawa sah Kusanagi an. Seine Miene war plötzlich so kalt, wie der Kommissar es noch nie gesehen
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