Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
sinnlos, eine breitere Allgemeinheit in Mathematik zu unterrichten, und sei es auf niedrigstem Oberschulniveau. Eigentlich hätte es gereicht, den Schülern beizubringen, dass es eine komplizierteWissenschaft namens Mathematik gab. Mehr brauchten sie gar nicht zu wissen.
Als Ishigami mit dem Korrigieren fertig war, sah er auf die Uhr. Es war schon nach acht. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass das Dojo abgeschlossen war, verließ er die Schule. Als er an der Fußgängerampel vor dem Tor wartete, trat ein Mann auf ihn zu.
»Sie sind wohl auf dem Heimweg?«, fragte er freundlich. »Ich habe Sie zu Hause nicht angetroffen und mir gedacht, dass Sie hier sind.
Ishigami wusste sofort, wer der Mann war: der Kommissar von der Mordkommission.
»Wenn ich mich nicht irre, sind Sie …?«
»Ah, Sie erinnern sich vielleicht nicht an mich.« Der Kommissar griff in seine Jackentasche, aber Ishigami nickte bereits.
»Doch, doch. Ihr Name ist Kusanagi.«
Die Ampel schaltete auf Grün, und Ishigami setzte sich in Bewegung. Kusanagi folgte ihm. Ishigami überlegte, was der Kommissar wohl von ihm wollte. Ob es etwas mit dem zu tun hatte, was Yukawa vor zwei Tagen gesagt hatte? Dass er die Polizei bei ihren Ermittlungen unterstützen sollte? Aber er hatte doch abgelehnt.
»Sie kennen doch Herrn Manabu Yukawa?«, fragte Kusanagi.
»Ja, er war bei mir. Sie haben ihm von mir erzählt.«
»Ja, das stimmt. Ich habe ihm gesagt, dass Sie auch auf der Kaiserlichen Universität waren – im gleichen Fachbereich wie er. Hätte ich das lieber für mich behalten sollen?«
»Ganz und gar nicht. Ich habe mich sehr gefreut, ihn wiederzusehen.«
»Worüber haben Sie denn gesprochen?«
»Vor allem über die alten Zeiten. Zumindest beim ersten Mal.«
»Beim ersten Mal?« Kusanagi macht ein verdutztes Gesicht. »Wie oft haben Sie sich denn getroffen?«
»Zweimal. Beim zweiten Mal sagte er, Sie hätten ihn geschickt.«
»Ich?« Kusanagi blinzelte. »Und was genau hat er gesagt?«
»Er sollte mich fragen, ob ich Sie bei Ihren Ermittlungen unterstützen könne.«
»Ach ja, richtig.« Kusanagi kratzte sich am Kopf.
Ishigami war sofort klar, dass etwas nicht stimmte. Er konnte dem Kommissar die Verwirrung ansehen. Wahrscheinlich hatte Yukawa die Geschichte erfunden.
Kusanagi grinste verlegen. »Ich rede so viel mit ihm, dass ich manchmal gar nicht mehr weiß, welche Fälle ich eigentlich mit ihm besprochen habe. Um welche Art von Unterstützung ging es denn?«
Ishigami überlegte. Er zögerte, Yasuko Hanaokas Namen zu erwähnen. Aber sich dumm zu stellen, wäre auch sinnlos. Kusanagi konnte ja bei Yukawa nachfragen. Also sagte Ishigami ihm, dass er Yasuko Hanaoka hätte beobachten sollen.
Kusanagi riss die Augen auf. »So? Äh, nun, ja, genau darüber hatte ich mit ihm gesprochen. Dass Sie uns eine große Hilfe sein könnten. Wahrscheinlich wollte er mir einen Gefallen tun, indem er Sie fragte. Ja, so muss es gewesen sein.«
Also hatte Yukawa auf eigene Initiative gehandelt. Aber mit welcher Absicht?
Ishigami blieb stehen und sah Kusanagi an. »Und jetzt sind Sie gekommen, um mich noch einmal persönlich zu fragen?«
»Nein, ich war gerade dabei, es Ihnen zu sagen. Es geht umetwas anderes.« Kusanagi zog eine Fotografie aus der Jackentasche. »Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen? Das Bild ist nicht sehr scharf, ich habe es verdeckt und aus einiger Entfernung aufgenommen.«
Beim Anblick des Fotos musste Ishigami schlucken. Es zeigte den Mann, der ihn in den letzten Tagen so beschäftigt hatte. Er hatte keine Ahnung, wer er war. Nur, dass er irgendwie auf vertrautem Fuß mit Yasuko stand. Ishigami überlegte, was er antworten sollte. Er genügte nicht, wenn er einfach sagte, er kenne den Mann nicht. So würde er keine Informationen über ihn bekommen.
»Nun?«, riss Kusanagi ihn aus seinen Gedanken.
»Ich habe das Gefühl, ihn schon einmal gesehen zu haben«, sagte er nachdenklich. »Wer ist das?«
»Wo haben Sie ihn gesehen? Denken Sie bitte nach.«
»Ich weiß nicht, ich begegne jeden Tag sehr vielen Leuten. Wenn Sie mir sagen würden, wie er heißt oder wo er arbeitet, würde es mir vielleicht einfallen.«
»Er heißt Kudo und ist Geschäftsführer in einer Druckerei.«
»Kudo?«
»Ja, Kudo – so.« Kusanagi zeigte ihm, mit welchen Zeichen der Name geschrieben wurde. Kudo. Ishigami betrachtete die Fotografie. Warum stellte die Polizei Nachforschungen über ihn an? Sicher, weil er mit Yasuko Hanaoka zu tun hatte.
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