Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
darüber denke ich gerade nach.« Yukawa nahm seinen Becher.
Kusanagi faltete den Plan sorgfältig zusammen. »Ich muss dich etwas fragen. Aus welchem Anlass hast du angefangen, Ishigami zu verdächtigen? Es wird schwierig für mich, wenn du nicht mit mir darüber sprichst.«
»Interessant, dass du das sagst. Du selbst hast doch herausgefunden, dass er Yasuko Hanaoka mag. Wozu brauchst du dann noch meine Meinung?«
»Doch, ich brauche sie. Wenn ich meinem Vorgesetzten Bericht erstatte, kann ich ja nicht sagen, ich hätte Ishigami nur mal so ins Visier genommen.«
»Reicht es nicht, wenn du sagst, du hast die Leute in Yasuko Hanaokas Umfeld überprüft und bist dabei auf Ishigami gestoßen?«
»Habe ich schon. Und ich habe ihre Beziehung überprüft. Leider gibt es nicht den leisesten Anhaltspunkt, dass zwischen den beiden ein engeres Verhältnis besteht.«
Seinen Becher in der Hand lachte Yukawa so sehr, dass sein ganzer Körper bebte. »Das überrascht mich jetzt nicht.«
»Wieso? Was willst du damit sagen?«
»Nichts. Nur dass zwischen den beiden bestimmt nichts ist. Ich versichere dir, da kannst du ermitteln, solange du willst, finden wirst du nichts.«
»Mit dieser Meinung stehst du nicht allein. Meine Kollegen sind schon dabei, das Interesse an Ishigami zu verlieren. Bald kann ich auch nichts mehr machen. Deshalb möchte ich, dass du mir sagst, womit Ishigami deine Aufmerksamkeit erregt hat. Komm schon, Yukawa. Warum sagst du es mir nicht?«
Bei Kusanagis bittendem Ton wurde Yukawa wieder ernst und stellte seinen Becher ab. »Auch wenn ich es dir sagen würde, könntest du nichts damit anfangen. Es ist sinnlos.«
»Sag schon.«
»Aus dem gleichen Grund wie du. Ich hatte eine Ahnung, dass er etwas für Yasuko Hanaoka übrighat. Also überlegte ich, ob er womöglich in den Fall verwickelt sein könnte. Jetzt wirst du mich sicher gleich fragen, was diese ›Ahnung‹ ausgelöst hat. Es war sozusagen Intuition. Für jemanden, der Ishigami nicht richtig kennt, ist das sicher schwer nachzuvollziehen. Sprichst du nicht auch immer vom Instinkt des Polizisten? Es war so etwas Ähnliches.«
»Ich hätte nie gedacht, dass ich dieses Wort jemals aus deinem Munde hören würde – Instinkt!«
»Hin und wieder ist das erlaubt.«
»Also gut. Dann sag mir bitte, wann du bemerkt hast, dass Ishigami etwas für Frau Hanaoka empfindet.«
»Abgelehnt«, versetzte Yukawa.
»Komm schon.«
»Es geht um Ishigamis Ehre. Ich möchte nicht mit anderen darüber sprechen.«
Kusanagi seufzte. In diesem Moment klopfte es, und ein Student trat ein.
»Hoffentlich habe ich Sie nicht aus Ihren Studien gerissen, aber ich möchte einen gewissen Punkt in Ihrer Arbeit mit Ihnen besprechen«, sagte Yukawa zu dem jungen Mann.
»Welchen denn?« Der Student blickte verwirrt.
»Ihre Arbeit ist sehr gut geschrieben. Aber eine Frage hätte ich dazu. Warum haben Sie sich der Festkörperforschung bedient, um den Vorgang zu beschreiben?«
Der Student sah ihn verwirrt an. »Aber es war doch ein Festkörperversuch …«
Yukawa schüttelte lachend den Kopf.
»Das Experiment basierte eigentlich auf der Elementarteilchenphysik. Ich wollte, dass Sie diesen Ansatz verwenden. Auch wenn etwas nach Festkörperforschung aussieht, heißt das nicht, dass man alle anderen Theorien beiseitelassen darf. Das tut ein guter Wissenschaftler nicht. Die eigene vorgefasste Vorstellung ist der größte Feind. Denn auch sichtbare Dinge können blind machen.«
»Ich verstehe.« Der Student nickte artig.
»Ich gebe Ihnen diesen Rat, weil Sie gut sind. Das war’s, Sie können gehen.«
Der Student bedankte sich und verließ das Labor.
Kusanagi musterte Yukawa aufmerksam.
»Was ist los? Habe ich etwas im Gesicht?«, fragte Yukawa.
»Nein, aber ihr Naturwissenschaftler redet wirklich alle das Gleiche.«
»Soll heißen?«
»Von Ishigami habe ich etwas ganz Ähnliches gehört.« Kusanagi berichtete Yukawa, was der Mathematiklehrer ihm über die Aufgaben in seinen Arbeiten gesagt hatte.
»Ein toter Winkel, der durch vorgefasste Annahmen entsteht – das sieht ihm ähnlich.« Yukawa grinste. Doch schonim nächsten Moment änderte sich seine Miene. Er erhob sich abrupt von seinem Stuhl, legte sich die Hände um den Kopf und ging zum Fenster. Er blickte hinauf zum Himmel.
»Yukawa? Was ist denn?«
Aber Yukawa hob nur die Hand. Er wollte beim Nachdenken nicht gestört werden. Ergeben musterte Kusanagi seinen Freund.
»Unmöglich«, murmelte Yukawa. »So etwas
Weitere Kostenlose Bücher