Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)

Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)

Titel: Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Keigo Higashino
Vom Netzwerk:
brauchst du mir nicht zu sagen. Ich vergeude meine Zeit nicht mit nutzlosen Dingen.« Ishigami setzte sich wieder in Bewegung. Nicht, weil er fürchtete, zu spät zur Schule zu kommen, sondern weil ihm die Situation unbehaglich wurde.
    Yukawa folgte ihm.
    »Wer diesen Fall lösen will, darf sich nicht einbilden, es ginge darum, das Alibi zu knacken. Das Problem liegt ganz woanders. Die Distanz ist viel größer als die zwischen Geometrie und Algebra.«
    »Und wo liegt das Problem?«, fragte Ishigami, der den Blick nach vorne gerichtet geradeaus weiterging.
    »Das lässt sich schwer mit einem Wort erklären, aber wenn ich müsste, würde ich den Begriff Ablenkung gebrauchen. Die Ermittler werden durch eine List getäuscht. Jede Spur, die sie entdecken, ist in Wirklichkeit keine. Sooft sie glauben, einen Hinweis zu haben, führen die Täter sie in die Irre.«
    »Klingt kompliziert.«
    »O ja, aber wenn man seinen Blickwinkel ein wenig verschiebt, ist die Sache erstaunlich simpel. Wenn ein mittelmäßig begabter Mensch etwas auf komplizierte Weise zu verheimlichen sucht, fällt er am Ende häufig selbst in die Grube, die er gegraben hat. Nicht jedoch ein Genie. Das Genie bedient sich ganz einfacher Mittel, die dennoch niemand durchschaut,weil ein normaler Mensch gar nicht auf eine solche Idee kommen würde. Darin besteht die Komplexität des Problems.«
    »Etwas so Abstraktes müsste dir als Physiker doch zuwider sein.«
    »Soll ich lieber etwas konkreter werden? Hast du noch so viel Zeit?«
    »Das geht schon.«
    »Auch, um noch im Bento-Laden vorbeizuschauen?«
    Ishigami warf einen kurzen Blick auf Yukawa und sah dann wieder geradeaus. »Ich kaufe mein Mittagessen nicht jeden Tag dort.«
    »Wirklich nicht? Angeblich aber so gut wie immer.«
    »Bringst du mich deshalb mit dem Fall in Verbindung?«
    »Nein, nicht ganz. Niemand würde sich etwas dabei denken, dass du dein Mittagessen jeden Tag im gleichen Laden kaufst. Aber wenn du dorthin gehst, um eine bestimmte Frau zu sehen, kann man darüber nicht so einfach hinwegsehen.«
    Ishigami blieb stehen und musterte Yukawa wütend.
    »Du glaubst wohl, du kannst dir alles erlauben, weil wir uns schon so lange kennen?«
    Yukawa hielt seinem Blick stand. Als Ishigami ihm in die Augen sah, erkannte er, dass der Physikprofessor ihn nicht so davonkommen lassen würde.
    »Bist du jetzt sauer? Ich habe dich verärgert, oder?«, fragte Yukawa.
    »Ach, Quatsch.« Ishigami setzte sich wieder in Bewegung. Er stieg die Treppe zur Kiyosu-Brücke hinauf.
    »Nicht weit vom Fundort der Leiche wurden in einer Öltonne halb verbrannte Kleidungsstücke gefunden. Man nimmt an, dass sie dem Opfer gehört haben, und der Mörder hätteversucht, sie zu verbrennen. Als ich das erste Mal davon hörte, habe ich mich gewundert, warum er die Sachen nicht vollständig verbrannt hat. Kusanagi meint, er sei in zu großer Eile gewesen, den Tatort zu verlassen, aber da fragt man sich wiederum, warum er die Kleider nicht lieber mitgenommen und dann woanders in Ruhe entsorgt hat. Aber vielleicht glaubte er auch, sie würden viel schneller verbrennen? Als ich einmal angefangen hatte, darüber nachzudenken, ging mir die Sache nicht aus dem Kopf. Also beschloss ich, selbst ein paar Klamotten zu verbrennen.«
    Ishigami blieb wieder stehen. »Du hast Kleider verbrannt?«
    »Ja, in einer Öltonne. Eine Jacke, einen Pullover, eine Hose, ein Paar Schuhe und so weiter … ach ja, und Unterwäsche. Ich habe sie in einem Altkleiderladen gekauft. Übrigens hätte ich nicht gedacht, dass solches Zeug so teuer ist. Im Gegensatz zu euch Mathematikern sind wir Physiker erst zufrieden, wenn wir etwas selbst ausprobiert haben.«
    »Und was kam dabei heraus?«
    »Das Zeug brannte wie Zunder und setzte dabei eine Menge giftiger Gase frei«, erklärte Yukawa. »Innerhalb von weniger als fünf Minuten war alles restlos verbrannt.«
    »Und?«
    »Warum hat der Mörder diese fünf Minuten nicht abgewartet?«
    »Tja …«, machte Ishigami und bog hinter der Brücke nach links ab, obwohl das
Benten-tei
in der entgegengesetzten Richtung lag.
    »Holst du dir heute kein Bento?«, fragte Yukawa erwartungsgemäß.
    »Du bist wirklich eine Plage. Ich sagte doch gerade, dass ich nicht jeden Tag hingehe«, versetzte Ishigami unwillig.
    »Ich will ja nur, dass du was zum Mittag hast«, sagte Yukawa und holte ihn ein. »Übrigens wurde in der Nähe des Toten auch ein Fahrrad gefunden. Den Ermittlungen zufolge wurde es am Bahnhof Shinozaki

Weitere Kostenlose Bücher