Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
klappte den Sitz hoch.
Kapitel 16
Ishigami sah Kusanagi völlig ausdruckslos an. Aber vermutlich war er innerlich weit fort, und der Kommissar saß nur zufällig in seiner Blickrichtung.
»Ich habe den Mann am 10. März zum ersten Mal gesehen«, begann Ishigami in gleichmütigem Ton. »Als ich aus der Schule kam, lungerte er vor der Tür meiner Nachbarin herum. Er hatte die Hand durch den Briefschlitz in ihrer Tür gesteckt und tastete nach etwas.«
»Entschuldigen Sie, aber wer war der Mann?«
»Herr Togashi. Natürlich wusste ich damals noch nicht, dass er so hieß.« Ishigami schmunzelte.
Sie waren zu dritt in dem Vernehmungsraum. Kishitani saß an einem separaten Tisch und protokollierte. Ishigami hatte die Anwesenheit anderer Ermittler abgelehnt. Als Begründung hatte er angeführt, er könne seine Geschichte nicht korrekt erzählen, wenn alle möglichen Leute ihm Fragen stellten.
»Mir war das nicht geheuer, und ich sprach ihn an. Er wirkte etwas erschrocken und behauptete, er habe etwas mit Frau Hanaoka zu besprechen. Er sagte, er sei ihr getrennt lebender Mann. Ich wusste gleich, dass er log, tat aber so, als würde ich ihm glauben, um ihn in Sicherheit zu wiegen.«
»Einen Moment bitte. Wieso wussten Sie, dass er log?«, fragte Kommissar Kusanagi.
Ishigami holte kurz Luft. »Weil ich alles über Yasuko Hanaoka weiß. Dass sie geschieden und ständig auf der Flucht vor ihrem Ex-Mann ist. Alles eben.«
»Woher wissen Sie das alles? Sie sind zwar Nachbarn, aber ich habe gehört, Sie wechseln kaum ein Wort miteinander, und Sie seien bloß Kunde in dem Bento-Laden, in dem sie arbeitet.«
»Diesen Anschein geben wir uns in der Öffentlichkeit.«
»Anschein?«
Ishigami richtete sich auf und warf sich ein wenig in die Brust. »Ich bin Yasuko Hanaokas Leibwächter. Es ist meine Aufgabe, sie vor den Männern zu schützen, die sich ihr mit dunklen Absichten nähern. Aber wir wollten nicht, dass jemand davon erfuhr. Schließlich bin ich ja auch Lehrer.«
»Als wir uns das erste Mal begegnet sind, sagten Sie, Sie sprächen kaum ein Wort mit ihr.«
Bei dieser Frage seufzte Ishigami leise. »Sie kamen zu mir, um mir Fragen wegen Togashis Ermordung zu stellen, nicht wahr? Natürlich konnte ich Ihnen nicht die Wahrheit sagen. Sie hätten doch sofort Verdacht geschöpft.«
»Ja, natürlich.« Kusanagi nickte. »Sie sagten, Sie wüssten alles über Yasuko Hanaoka, weil Sie ihr Leibwächter sind?«
»So ist es.«
»Das heißt, Ihre heimliche Beziehung besteht schon länger?«
»Ja. Wie ich schon sagte, hielten wir unsere Freundschaft vor der Öffentlichkeit geheim. Nicht einmal ihre Tochter wusste davon. Wir mussten sehr geschickt vorgehen, damit auch sie nichts merkte.«
»Wie sah das konkret aus?«
»Wie bedienten uns verschiedener Mittel. Soll ich Ihnen jetzt gleich davon berichten?« Ishigami sah ihn fragend an.
Kusanagi hatte das deutliche Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte. Dass Ishigami eine heimliche Beziehung zu seiner schönen Nachbarin haben sollte, kam allzu plötzlich, undauch das, was angeblich dahintersteckte, kam ihm reichlich unplausibel vor. Er musste rasch herausfinden, ob etwas daran war.
»Nein, darüber sprechen wir später. Bitte schildern Sie mir zuerst möglichst genau Ihre Begegnung mit Herrn Togashi. Sie taten also so, als glaubten Sie, dass er noch mit Frau Hanaoka verheiratet sei, nicht wahr? So weit waren wir schon.«
»Er fragte, ob ich nicht wüsste, wohin Frau Hanaoka gegangen sei. Ich sagte ihm, sie sei aus beruflichen Gründen kürzlich umgezogen. Natürlich war er ziemlich überrascht und fragte, ob ich ihre neue Adresse wisse. Ich bejahte.«
»Und welche Adresse haben Sie ihm genannt?«
Die Frage brachte Ishigami zum Lachen. »Sie wohne jetzt in Shinozaki. In einem Haus am Alten Edogawa.«
Aha, so kommt Shinozaki ins Spiel, dachte Kusanagi.
»Mehr haben Sie ihm nicht gesagt?«
»Natürlich wollte Togashi die genaue Adresse wissen. Ich bat ihn, kurz zu warten. Ich ging in meine Wohnung, warf einen Blick auf den Stadtplan und schrieb eine Adresse auf – die Adresse von einer Kläranlage. Er hat sich richtig gefreut, als ich ihm den Zettel gab, und geschwärmt, wie sehr ich ihm geholfen hätte.«
»Warum gaben Sie ihm ausgerechnet diese Adresse?«
»Natürlich, um ihn an einen unbelebten Ort zu locken, wo wir allein sein würden. Ich kenne mich in der Umgebung der Kläranlage ganz gut aus.«
»Warten Sie«, sagte Kusanagi. »Heißt das, Sie haben in dem
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