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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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erwähnt«, sagte Malin.
    »Ich habe mich gestern Nachmittag an den Computer gesetzt und E-Mails an viele Boxklubs in Europa geschickt. Ich beschrieb ihnen, was passiert war, und gab ihnen eine möglichst detaillierte Beschreibung von diesem Typen.«
    »Und?«
    »Ich glaube, ich hab ihn.«
    Er legte ein Fax mit einem Bild auf den Tisch vor Erika und Malin. Das Foto schien beim Training in einer Boxhalle aufgenommen worden zu sein. Zwei Boxer standen vor einem korpulenten älteren Mann, der einen Lederhut mit schmaler Krempe und einen Trainingsoverall trug, und hörten seinen Anweisungen zu. Im Hintergrund stand ein großer Mann, der einen Karton in Händen hielt. Mit seinem rasierten Schädel sah er aus wie ein Skinhead. Jemand hatte ihn mit einem Filzstift eingekreist.
    »Das Bild ist 17 Jahre alt. Der Typ im Hintergrund heißt Ronald Niedermann. Er war 18, als das Foto gemacht wurde, müsste heute also knapp 35 sein. Das kommt hin bei dem Riesen, der Miriam Wu entführt hat. Ich kann nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, dass er es ist. Die Aufnahme ist zu alt und die Bildqualität zu schlecht. Aber ich kann zumindest sagen, dass er ihm verdammt ähnlich sieht.«
    »Woher hast du das Bild?«
    »Die Antwort kam von ›Dynamic‹ in Hamburg. Von einem alten Trainer namens Hans Münster.«
    »Ja?«
    »Ronald Niedermann hat Ende der 80er-Jahre ein Jahr lang für diesen Klub geboxt. Besser gesagt, er hat es versucht. Ich hab die Mail heute Morgen bekommen und Münster gleich angerufen, bevor ich hierherkam. Um zusammenzufassen, was Münster erzählt hat … Ronald Niedermann kommt aus Hamburg und gehörte in den 80ern einer Skinhead-Clique an. Er hat einen Bruder, der ein paar Jahre älter ist, ein ziemlich guter Boxer. Durch ihn kam er auch in diesen Klub. Niedermann war furchtbar stark und hatte einen fast schon einzigartigen Körperbau. Münster gab zu, er hätte noch nie zuvor jemanden gesehen, der so hart zuschlug, nicht mal unter den besten Boxern.«
    »Klingt doch so, als hätte er eine Karriere als Boxer machen können«, meinte Erika.
    Paolo Roberto schüttelte den Kopf.
    »Laut Münster war er im Ring völlig unbeholfen. Er blieb einfach stocksteif stehen und holte bei seinen Schlägen viel zu weit aus. Das passt alles genau auf den Typen, mit dem ich in Nykvarn gefightet habe. Aber was noch viel schlimmer war, er kapierte nicht, wie stark er war. Ab und zu landete er Treffer, die verheerende Verletzungen bei seinen Sparringspartnern hinterließen. Gebrochene Nasenbeine und Kieferknochen und so weiter. Das konnten sie nicht länger riskieren.«
    »Sehr verständlich«, sagte Malin.
    »Aber der eigentliche Grund, warum er aufhören musste, war ein medizinischer.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Dieser Typ schien geradezu unverletzlich. Es war ganz egal, wie viel Prügel er bezog, er schüttelte sich nur kurz und boxte weiter. Wie sich herausstellte, leidet er an einer sehr ungewöhnlichen Krankheit, einer angeborenen Analgesie.«
    »Angeborene … was bitte?«
    »Analgesie. Ich hab es nachgeschlagen. Ein genetischer Fehler, bei dem die Transmitter, also die für die Reizübertragung zuständigen Substanzen im Nervensystem, nicht so funktionieren, wie sie sollten. Er kann keinen Schmerz empfinden.«
    »Das muss für einen Boxer doch Gold wert sein.«
    Paolo Roberto schüttelte den Kopf.
    »Im Gegenteil. Das ist eine fast schon lebensgefährliche Krankheit. Die meisten, die an angeborener Analgesie leiden, sterben relativ jung, mit 20, 25 Jahren. Schmerz ist das Alarmsystem unseres Körpers, wenn irgendetwas nicht stimmt. Wenn wir die Hand auf eine glühend heiße Herdplatte legen, tut es weh, und wir ziehen sie schleunigst zurück. Wer diese Krankheit hat, merkt nichts, bevor es anfängt, nach verbranntem Fleisch zu stinken.«
    Malin und Erika tauschten einen Blick.
    »Völlig im Ernst?«, fragte Erika.
    »Absolut. Ronald Niedermann kann überhaupt nichts spüren und läuft herum, als wäre er den ganzen Tag betäubt. Er ist nur deswegen so lange zurechtgekommen, weil in seinem Fall ein anderer genetischer Umstand kompensierend wirkt. Sein Körperbau ist extrem kräftig, das macht ihn so gut wie unverletzlich. Seine Muskelkraft ist nahezu einzigartig. Darüber hinaus muss er eine extrem gute Wundheilung haben.«
    »Langsam verstehe ich, dass du da einen äußerst interessanten Boxkampf bestritten hast.«
    »So was möchte ich nicht noch einmal erleben. Das Einzige, was ihn überhaupt beeindruckte, war

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