Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
auf: » Le Queux? Der diese Spionagegeschichten schreibt? Nein, leider nicht, Sir!«
» Haben Sie mal etwas von ihm gelesen?«
Peterman zuckt die Achseln: » Nur, was in der Daily Mail von ihm erschienen ist. Aber ehrlich gesagt, halte ich nicht viel von seinen Auslassungen. Seine Bücher passen auch nicht in mein Sortiment.«
» Das ist wahr«, gibt Drummond zu, » es fiel mir nur gerade ein, weil mir ein Bekannter eins seiner Bücher empfohlen hat, irgend etwas über eine Invasion, wenn ich mich nicht irre.«
Peterman sagt nichts dazu, und Drummond überlegt, was er noch sagen könnte, um ihn in ein Gespräch zu verwickeln, als eine junge Frau den Laden betritt, einen vollen Einkaufskorb am Arm. Drummond nimmt seinen Strohhut ab, wie es sich in Gegenwart einer Dame gehört. Sie geht an ihm vorbei, nickt ihm dabei freundlich zu und verschwindet durch die Tür ins Hinterzimmer. Das muß Petermans Tochter Vivian sein. Er wird verlegen. So ein bildhübsches Mädchen, und er steht da in diesem schäbigen Jackett mit den abgetretenen staubigen Schuhen, und dazu der dumme aufgeklebte Schnurrbart! Aus der Nähe muß der doch als Fälschung erkennbar sein, nur gut, daß er mit dem Rücken zum Licht steht. Am liebsten würde er kehrtmachen und gehen, aber was soll er Melville erzählen? Er hat so gut wie nichts herausgefunden, nur daß die Tochter verdammt hübsch ist und Peterman keinen hörbaren Akzent hat. Er spricht wie ein ganz normaler Engländer.
Zum Teufel, denkt er, Kell oder Melville hätten mir ruhig etwas Geld mitgeben können, damit ich dem Mann ein Buch abkaufen kann. So wäre ich vielleicht besser mit ihm ins Gespräch gekommen. Ich habe grade mal zwei Shilling sechs Pence in der Tasche, und die brauche ich für mein Abendessen. Unter dem aufgeklebten Bart juckt es wie verrückt, und Drummond weiß mit einem Mal nicht mehr weiter.
» Well, thank you, Mr. Peterman«, sagt er und wendet sich zum Gehen. Dabei hat er das Gefühl, Petermans blaue Augen bohrten sich in seinen Rücken. Ein leiser Schauer läuft ihm über den Nacken, bis die Tür hinter ihm ins Schloß fällt.
Bei Le Queux geben sich die deutschen Spione jovial und freundlich, sind unter dieser Maske jedoch heimtückisch und skrupellos und mit Messern oder Revolvern bewaffnet, manchmal sogar mit einer Dynamitbombe. Er schüttelt den Gedanken ab. Blödsinn. Deutschland ist eine mächtige und zivilisierte Nation, vielleicht ein wenig zu laut und zu hemdsärmelig, aber solche Räuberpistolen? Nein, wir sind hier doch in Europa, der Wiege der Kultur, und schreiben das zwanzigste Jahrhundert! Und nicht zuletzt ist der Kaiser ja der Enkel der Queen Mother, gleichsam eng mit England verwandt.
Bei Clarksons gibt er die geliehene Jacke, den Hut und die Brille zurück, läßt sich den Schnurrbart entfernen und die gefärbten Haare auswaschen. Immerhin ist er so zu einem kostenlosen Haarschnitt gekommen. Dann kehrt er nach Temple zurück. Drummond schildert Kell seinen Eindruck von Peterman. Er entschuldigt sich dafür, so wenig herausgefunden zu haben, aber der Captain entgegnet, das sei besser als durch zu viele Fragen Verdacht zu erregen. Er erkundigt sich nach der Tochter, und Drummond sagt, falls der Buchhändler wirklich ein Spion sei, so glaube er nicht, daß die Tochter etwas davon wisse. Freilich sei das nur ein flüchtiger Eindruck.
Wo Seiler sich aufhält, ist nach wie vor unbekannt. Der Captain vermutet, er sei wieder in Deutschland. Inzwischen hat er über einen Kontakt an der deutschen Botschaft gehört, der Mann sei von Kapitän Widenmann anläßlich der Flottenparade als Ordonnanz angefordert worden. Der Attaché arbeite angeblich an einer umfassenden Darstellung der Royal Navy für seinen Dienstherrn, Großadmiral Tirpitz, aber dagegen sei nichts zu sagen, das gehöre zu den Aufgaben eines Marineattachés. Seiler habe bei diesem Bericht assistiert und sei anscheinend nur zu diesem Zweck in London; ausgesucht vermutlich wegen guter Englischkenntnisse. Um herauszufinden, wo Seiler bei der deutschen Marine Dienst tue, müsse Kell eine Anfrage an Captain Mansfield Cumming richten, der zusammen mit ihm beauftragt worden sei, das SSB aufzubauen. Vor etwas mehr als einem Jahr hatten sie ihre Aufgaben und zugleich auch ihre Büros geteilt. Cumming sei jetzt für die Informationsbeschaffung im Ausland zuständig, während Kells Abteilung die eigentliche Spionageabwehr im Inland betreibe. Ob Cumming inzwischen Agenten in Deutschland hat, weiß
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