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Verdeckt

Verdeckt

Titel: Verdeckt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kendra Elliot
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gesehen?«
    Lacey erstarrte. Eine der beiden Toten hatte jetzt einen Namen. Die Vorschriften verboten ihr, jetzt schon mit den Eltern zu sprechen. Doch es fiel ihr schwer, es nicht zu tun. Die Wahrscheinlichkeit, dass es in Oregon ein weiteres vermisstes junges Mädchen mit ähnlich teuren zahntechnischen Arbeiten im Mund gab, war minimal. Trotzdem musste sie erst die Unterlagen überprüfen. Auf keinen Fall durfte ihr ein Fehler unterlaufen.
    »Ich bin noch nicht fertig …«
    »Aber Sie sagten doch, Sie hätten sich die beiden Mädchen angesehen. Hatte nun eine von ihnen solche Zähne oder nicht?« Mr Spencer musterte Lacey forschend. Sein barscher Ton ließ MrsSpencer aufblicken. Sie schaute von ihrem Mann zu Lacey und wieder zurück. Die Frau wirkte zerbrechlich. So als würde die zarteste Berührung ihre Haut zerspringen lassen. Welche Hölle hatte dieses Paar in den letzten beiden Monaten durchlebt? Durch welches Fegefeuer, welche Zwischenwelten waren sie gegangen? Der Schmerz des Nichtwissens. Die endlosen Fragen.
    »Haben die beiden gelitten?«, flüsterte Mrs Spencer. »Ich will mir gar nicht vorstellen, von einem Feuer eingeschlossen zu werden und …« Sie klammerte sich an Lacey fest. Ihre Züge entgleisten.
    Lacey erschauerte. Auch sie wollte an so etwas nicht denken. Vor fünf Minuten war sie noch auf die unbekannten Eltern wütend gewesen, die nicht besser auf ihr Kind aufgepasst hatten. Wie hatte sie sich ein Urteil über diese Menschen anmaßen können? Jetzt hatten sie Gesichter … aber keine Tochter mehr.
    Lacey schluckte. »Ich bin mit meiner Arbeit noch nicht fertig. Aber Sie werden die Ersten sein, die das Ergebnis erfahren.« Sie drückte noch einmal Mrs Spencers Hand und hastete dann zur Tür. Am liebsten wäre sie gerannt. Wie auf der Flucht stieß sie mit beiden Händen die Tür auf und prallte direkt mit Jack Harper zusammen. Den hatte sie kurzfristig vergessen.
    Er packte sie an den Oberarmen, doch sie starrte an ihm vorbei zu Boden. Ihr Blick verschwamm. Die Tür schloss sich mit einem harten Zischlaut hinter ihr und Mrs Spencer stieß einen schrillen Klagelaut aus.
    Die Mutter wusste Bescheid.
    »Alles klar?«
    Lacey schüttelte den Kopf, drängte sich an Jack vorbei und rannte tränenblind den langen leeren Flur entlang zur Damentoilette.
    Er saß wieder auf ihrem Stuhl.
    Lacey hatte volle zehn Minuten mit einem nassen Handtuch auf den Augen auf der Damentoilette verbracht und versucht, den Klang von Mrs Spencers Schmerz aus dem Kopf zu bekommen. Jetzt war die rote Schwellung um ihre Augen verschwunden. Genau wie der größte Teil ihres Make-ups.
    Sie blieb an der Tür stehen. Diesmal saß Jack mit dem Gesicht zu ihr. Er hatte die Unterarme auf die Oberschenkel gelegt, rieb sich die Hände und musterte sie mit einem besorgten Blick. Sie wusste, dass er ihr frisch gewaschenes Gesicht bemerkte und starrte kühl zurück. Er wirkte angespannt und seine Anspannung übertrug sich auf sie. Warum war er hier?
    »Möchten Sie vielleicht etwas essen?«
    Sie blinzelte.
Essen? Jetzt?
    Er rieb sich die Wange; sie hörte kurze Stoppeln an seiner Handfläche kratzen. »Klingt unpassend. Ich weiß. Aber … ich finde, wir sollten darüber reden, was letzten Samstag passiert ist. Und vor zehn Jahren. Wir hingen damals beide mit drin und jetzt wieder …«
    Jack wollte über Dave DeCosta reden?
Über diesen Tag?
    Er sah mit zusammengekniffenen Lippen zu Boden. »Damals wurde ich wegen des Verschwindens von Hillary Roske vernommen. Wir hatten ein paar Dates gehabt. Und jetzt werde ich wieder in diese Sache hineingezogen. Mein Keller und mein ehemaliger Partner bei der Polizei …« Er hob den Blick. »Ich weiß, der Zeitpunkt ist nicht wirklich günstig. Aber ich glaube, es wird nie einen passenden geben. Taugt der Sandwich-Laden gegenüber was?«
    Sie starrte ihn an. Das war interessant. Er war damals in den Fall verwickelt gewesen und wurde jetzt erneut von der Geschichte eingeholt?
    Genau wie sie.
    Die Erinnerung an den Samstagmorgen kam wieder hoch. Lacey schüttelte den Kopf. Das konnte sie jetzt nicht machen. »Nein. Ich will nicht …«
    »Bitte.« Seine Augen blickten fast flehentlich. Er ballte die Hände zu Fäusten. »Ich muss rauskriegen, warum das jetzt passiert. Sie waren dabei, als es vor langer Zeit begonnen hat. Und Sie waren am Samstag ebenfalls da. Wie kann das sein?« Er sah aus, als wäre er gern aufgestanden, blieb aber sitzen. Vielleicht aus Rücksicht auf ihre Größe.

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