Verdeckt
vielleicht unbespielt?
Plötzlich erschien ein Bild auf dem Monitor. Zu sehen war ein Raum mit Betonwänden. Ein wenig wackelig schwenkte die Kamera über eine Ansammlung von Gerümpel. In den Ecken standen kleine, schiefe Türme aus aufgestapelten Kartons. Der enge Raum war mit alten Holzstühlen, kaputten Tischen und einer fleckigen Teppichrolle vollgestopft. Die Bilder waren so körnig, als stammten sie von einem alten Filmband oder wären mehrfach von einem Medium zum anderen überspielt worden. Plötzlich fing die Kamera ein schmales Metallbett ein. Laceys Brust zog sich zusammen, als auf die blonde Frau scharf gestellt wurde, die ans Kopfteil des Bettes gefesselt war.
Suzanne.
Eve stieß einen Protestlaut aus und Lacey ließ die Katze los, die sie plötzlich viel zu fest an sich gedrückt hatte. Hektisch sprang Evevon Laceys Schoß, suchte vergeblich mit den Krallen Halt auf den Holzdielen und flüchtete schließlich schlitternd aus dem Zimmer.
Lacey hielt den Atem an. Die Kamera zoomte auf Suzannes Gesicht. Ihre Augen waren halb geschlossen, doch ein kurzer hasserfüllter Blick traf das Objektiv wie ein Pfeil. Dann wurden ihre Augen wieder leer. Suzanne zerrte nicht an den Fesseln. Anscheinend hatte sie den Kampf aufgegeben. Ihr Haar war ungepflegt und lang. Länger als Lacey es je gesehen hatte. Es war strähnig, sogar fettig. Suzannes Kopf drehte sich noch einmal zur Kamera. Sie starrte Lacey direkt in die Augen. Dann wandte sie sich mit hängendem Kinn ab. Die Kamera tastete sich in geradezu obszöner Weise über ihren Körper, der in einem zerschlissenen T-Shirt und einer Jogginghose steckte.
Oh mein Gott.
Lacey riss die Augen auf. Sie starrte auf die Wölbung unter Suzannes T-Shirt. Dabei tasteten ihre Hände zwischen den Sofakissen nach der Fernbedienung. Sie konnte den Blick nicht vom Fernsehschirm lassen. Wenn sie wegschaute, verschwand vielleicht auch das Bild. Sie musste die DVD anhalten! Wo war die verdammte Fernbedienung?
Grundgütiger. Suzanne war schwanger.
Der runde, vorgewölbte Bauch sprach eine eindeutige Sprache. Vor Laceys Augen entstand unter dem T-Shirt eine kleine Beule. Ihre Hände erstarrten mitten in der Suche. Das Ungeborene bewegte sich.
Was war mit ihm passiert? Wo war Suzannes Baby?
Kein Baby mehr. Ein Kind.
Vermutlich neun oder zehn Jahre alt.
Das Bild verschwand. Grauer Schnee rauschte auf dem Schirm. »Neiiiiin!«, schrie Lacey.
Sie riss den Blick von der Mattscheibe los, entdeckte die Fernbedienung auf dem Beistelltisch und schnappte sie sich. Den Finger bereits an der Rücklauftaste, wandte sie sich wieder dem Fernseher zu. Gerade erschienen neue Bilder. Diesmal dunkler und schärfer. Die Szene war draußen aufgenommen. In einer nächtlichen Stadt.
Im Stehen richtete Lacey die Fernbedienung auf den Bildschirm. Ihr Finger schwebte über der Rücklauftaste, während sie die dunklen Bilder von geparkten PKWs und Trucks auf dem Monitor fixierte. Die Kamera schwenkte von Wagen zu Wagen. Sie erkannte einen Ford Mustang. Er war fast neu.
Ein aktuelles Modell.
Laceys Atem stockte. Dieser Teil der Aufnahme war erst kürzlich entstanden.
Eine verzweifelte Sekunde lang glaubte sie, Suzanne wäre am Leben und schwanger.
Nein. Lacey spürte, wie ihre Schultern vornüber sackten. Suzannes sterbliche Überreste waren unter einem Wohngebäude gefunden worden. Lacey hatte die Knochen selbst in den Händen gehalten. Tränen brannten in ihren Augen.
Zitternd holte sie Luft, starrte auf den Bildschirm und versuchte, nicht an Suzannes verloren aussehenden Schädel zu denken.
Dann sah sie ihn. Lacey plumpste aufs Sofa zurück. Jack Harper. Er beugte sich in ihren Truck, gab ihr einen langen Kuss und schlug dann die Tür zu. Lacey starrte ihr eigenes überraschtes Gesicht hinter dem Wagenfenster an. Dann schlingerte die Kamera. Kurz bevor die Aufnahme abbrach, hörte sie einen leisen, obszönen Fluch.
Laceys Kehle zog sich zusammen, sie sprang auf, rannte ins Bad und beugte sich würgend über die Toilette.
Der Kuss war noch keine zehn Stunden her.
F ÜNFZEHN
Der Latte passte ihm ganz und gar nicht. Er war ihm nicht süß genug. Einen Becher hatte er bereits umgetauscht. Die Barista hatte den Kaffee verbrennen lassen und er bekam den widerlichen Geschmack nicht mehr von der Zunge. Sie hatte ihm einen neuen hingestellt und einen Gutschein für einen Gratislatte beim nächsten Besuch dazugelegt. Immerhin hatte sie sich um die Reklamation gekümmert. Egal, was man tat – man
Weitere Kostenlose Bücher