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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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wo sie saßen, und forderten Antworten.
    »Ich hab’s nicht mal kommen sehen. Erinnere mich an nichts. Ich hab’s einfach versaut.«
    »Das kann man wohl sagen. Sie haben’s grandios versaut. Aber nicht, weil Sie dieses Arschloch nicht gestoppt haben. Nicht deshalb.« Caffery kniff das Ende seiner Zigarette zusammen, sodass die Glut auf das Papiertaschentuch fiel, das Nick ihm gegeben hatte. Er faltete das Taschentuch und presste es fest zusammen, um die Glut zu ersticken; dann steckte er es samt Zigarettenstummel in seine Innentasche. In der Wohnung hielt sich niemand mehr auf. Sie hatten alles, auch den Dachboden, gründlich nach Emily durchsucht. Nachdem klar war, dass sie sich nicht im Haus befand, hatten sie das Anwesen für die Spurensicherung, die immer noch nicht erschienen war, abgesperrt. Wenn sie irgendwann auftauchten, wollte er sie nicht damit vergrätzen, dass er überall Zigarettenstummel herumliegen ließ. »Nein. Grandios versaut haben Sie es, weil Sie hier waren. Sie arbeiten als Detective Corporal an diesem Fall. Sie haben hier abends nach Dienstschluss nichts verloren. Wie, zum Teufel, kam es dazu?«
    »Ich bin am Nachmittag hergekommen, wie Sie es mir aufgetragen hatten. Sie war …«, er wedelte kraftlos mit der Hand, »… sie war – na, Sie wissen schon. Also bin ich geblieben.«
    »Sie war was? Attraktiv? Verfügbar?«
    »Allein. Er hatte sich ins Büro verpisst.«
    »Nette Ausdrucksweise.«
    Prody starrte ihn an, als hätte er gern etwas gesagt, was er nicht sagen durfte. »Er war ins Büro gegangen , während seine Frau und seine Tochter in dieser Situation waren. Er hat sie allein gelassen. Sie hatte Angst. Was hätten Sie getan?«
    »In meiner Ausbildung bei der Metropolitan Police hat man mir eins immer wieder eingebläut: Wer eine Frau in dieser Weise ausnutzt – eine Frau, die bereits ein Opfer ist  –, der jagt verwundetes Wild. Der jagt verwundetes Wild.«
    »Ich habe sie nicht ausgenutzt, ich hatte Mitleid mit ihr. Ich bin nicht mit ihr ins Bett gegangen. Ich bin hiergeblieben, weil ich dachte , Sie sparen dadurch Personal, und weil sie sagte, sie würde sich sicherer fühlen.« Er schüttelte sarkastisch den Kopf. »Zum Glück hab ich sie nicht im Stich gelassen, stimmt’s?«
    Caffery seufzte. Alles an diesem Fall verströmte den fauligen Geruch der Niederlage. »Gehen Sie es noch mal mit mir durch. Costello verlässt am Nachmittag das Haus? Um zur Arbeit zu fahren?«
    »Ein Polizeiwagen hat ihn hingebracht. Nick hat das organisiert.«
    »Und er kommt nicht nach Hause?«
    »Doch. Für ungefähr zehn Minuten. Das war gegen neun Uhr abends. Er hatte getrunken, glaube ich. Und kaum ist er zur Tür hereingekommen, geht er auf sie los.«
    »Warum?«
    »Weil …« Prody brach ab.
    »Weil …?«
    Prodys Gesicht straffte sich kaum merklich. Er schien etwas sagen zu wollen – eine bittere Bemerkung. Aber er ließ es bleiben. Einen Augenblick später erschlafften seine Züge wieder. »Keine Ahnung. Irgendwas Privates – ging mich nichts an. Sie sind beide oben, und ehe ich mich versehe, schreit sie ihn an, und er kommt fluchend die Treppe herunter und ist weg. Schlägt die Tür zu. Sie rennt hinterher und legt die Ketten vor. Ich sag: ›Mrs. Costello, das würde ich wirklich nicht tun. Sie bringen ihn nur auf‹, und sie sagt: ›Das ist mir doch egal.‹ Und richtig, eine halbe Stunde später kommt er zurück und stellt fest, dass die Ketten vorgelegt sind. Er rüttelt an der Tür und schreit Beschimpfungen die Treppe hinauf.«
    »Und was haben Sie da getan?«
    »Sie hat gesagt, ich soll es ignorieren. Also hab ich es ignoriert.«
    »Aber irgendwann geht er dann weg? Und lässt Sie in Ruhe?«
    »Irgendwann, ja. Ich glaube, er … Sagen wir mal so: Ich glaube, er hat da noch was in der Hinterhand, wo er die Nacht verbringen kann.«
    Caffery zog das zusammengefaltete Papiertaschentuch wieder heraus und betrachtete die Überreste der Zigarette. Faltete es zusammen und steckte es erneut ein. »Wir haben Sie in der Küche gefunden.«
    »Ja.« Prody schaute hinauf zu dem offenen Fenster. »Ich erinnere mich noch, dass ich hineingegangen bin. Ich hatte Kakao für uns alle gemacht, und ich wollte die Tassen spülen. Das ist alles, was ich noch weiß.«
    »Wann war das?«
    »Weiß der Himmel. Vielleicht gegen zehn? Emily war von dem Krach aufgewacht.«
    »Das Fenster wurde aufgebrochen. Im Gras sind Spuren einer Leiter.« Er deutete mit dem Kopf zu den drei Behelfsabsperrungen, die

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