Verderbnis
gemacht.
Als Emily eingeschlafen war, erhob sich Janice, ging auf Zehenspitzen hinaus und schloss lautlos die Tür. Prody stand mit verschränkten Armen im Zwielicht des Korridors.
»In Mums Bett? Und für wen ist das Einzelbett?«
»Für ihren Dad.«
»Na, der Kommentar steht mir vielleicht nicht zu, aber ich würde sagen, das hat er verdient.« Prody stand mit dem Rücken zur Wand. Er hatte sein Jackett ausgezogen, und erst jetzt fiel ihr auf, wie groß er war. Viel größer als sie. Und breit. Nicht fett – nur kräfig an den Stellen, an denen ein Mann es sein sollte. Er sah aus, als ob er trainierte. Plötzlich hob sie die Hand vor den Mund, als wollte sie einen Schluckauf oder ein Kichern unterdrücken. »Ich muss Ihnen etwas gestehen. Ich bin ein bisschen betrunken.«
»Ich auch. Ein bisschen.«
» Nein !« Sie lächelte. »Das ist ja schrecklich! So verantwortungslos! Wie um alles in der Welt kommen Sie denn jetzt nach Hause?«
»Wer weiß? Ich war früher bei der Verkehrspolizei; deshalb kenne ich die neuralgischen Stellen, und ich könnte wohl nach Hause fahren, wenn ich wirklich wollte. Aber ich glaube, ich werde tun, was richtig ist, und meinen Schwips im Auto ausschlafen. Es wäre nicht das erste Mal.«
»Das Sofa im Wohnzimmer kann man ausklappen, und ich habe heute Morgen bei John Lewis neue Bettwäsche gekauft.«
Er hob die Brauen. »Wie bitte?«
»Im Wohnzimmer. Daran ist doch nichts auszusetzen, oder?«
»Ich kann nicht behaupten, ich wäre verrückt nach dem Rücksitz meines Peugeot.«
»Na dann …?«
Er wollte antworten, als es klingelte. Sie machte einen Satz von ihm weg, als hätten sie sich geküsst, ging ins Bad und schaute aus dem Fenster. »Cory.«
Prody rückte seine Krawatte zurecht. »Ich mache ihm auf.« Er ging die Treppe hinunter, nahm sein Jackett vom Haken und zog es an. Janice warf die leere Proseccoflasche in den Mülleimer, stellte die Gläser in die Spüle und rannte hinter ihm her die Treppe hinunter. Prody nahm sich noch eine Sekunde Zeit, um sein Jackett glattzuziehen. Dann legte er die Kette vor und öffnete die Tür.
Cory stand draußen. Sein Mantel war zugeknöpft, und er trug einen Schal um den Hals. Als er Prody sah, trat er einen Schritt zurück und spähte zu der Hausnummer über der Tür hinauf. »Ich bin doch hier richtig, oder? Die Häuser sehen alle gleich aus.«
»Cory?« Janice stellte sich auf die Zehenspitzen und schaute Prody über die Schulter. »Das ist Paul von der MCIU . Komm herein. Mum, Emily und ich sind schon mit dem Essen fertig, aber ich hab ein bisschen Lachs für dich aufgehoben.«
Cory kam in die kleine Diele und begann den Mantel auszuziehen. Er roch nach Regen und Kälte und Auspuffgasen. Als er den Mantel aufgehängt hatte, drehte er sich um und streckte Prody die Hand entgegen. »Cory Costello.«
»Schön, Sie kennenzulernen.« Sie schüttelten einander die Hand. » DC Prody, aber Sie können mich Paul nennen.«
Corys Lächeln verblasste. Er hielt Prodys Hand noch fest, und seine Schultern versteiften sich ein wenig. »Prody? Das ist ein ungewöhnlicher Name.«
»Ja? Keine Ahnung. Ich habe noch keine Familienforschung betrieben.«
Cory musterte ihn kühl, und sein Gesicht nahm eine seltsame aschfahle Färbung an. »Sind Sie verheiratet, Paul ?«
»Verheiratet?«
»Das habe ich gesagt. Sind Sie verheiratet?«
»Nein. Eigentlich nicht. Ich meine …« Er warf einen Blick zu Janice hinüber. »Ich meine … ich war verheiratet. Aber das ist vorbei. Jetzt lebe ich getrennt und bin praktisch geschieden. Sie wissen ja, wie das ist.«
Cory drehte sich steif zu seiner Frau um. »Wo ist Emily?«
»Sie schläft. Im Schlafzimmer.«
»Und deine Mum?«
»In ihrem Zimmer. Sie liest, glaube ich.«
»Ich muss mit dir sprechen, bitte.«
»Okay«, sagte sie zögernd. »Gehen wir nach oben.«
Cory drängte sich grob an ihnen vorbei und stieg die Treppe hinauf. Janice warf Prody einen Blick zu – Tut mir leid. Ich weiß nicht, was das soll, aber bitte gehen Sie nicht –, und dann folgte sie eilig ihrem Mann. Oben in der Wohnung lief er durch den Korridor, stieß Türen auf, schaute in die Zimmer. In der Küche blieb er stehen, bei den zwei Gläsern in der Spüle und dem Teller mit dem Stück Lachs unter der Frischhaltefolie.
»Was ist los, Cory? Was soll das?«
»Wie lange ist er schon hier?«, zischte Cory. »Hast du ihn hereingelassen?«
»Natürlich hab ich ihn hereingelassen. Er ist – was weiß ich? – seit zwei
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