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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Stunden hier.«
    »Weißt du, wer das ist?« Cory warf seine Laptoptasche auf die Arbeitsplatte. »Ja? Weißt du das?«
    »Nein.«
    »Das ist Clares Mann.«
    Janices Mund öffnete sich. Einen Moment lang hätte sie am liebsten gelacht, weil das Ganze so lächerlich war. » Was ?«, fragte sie, und ihre Stimme klang ein wenig schrill. »Clare? Aus deiner Gruppe? Die du fickst, meinst du?«
    »Sei nicht albern. Und drück dich anders aus.«
    »Na, Cory, woher solltest du denn sonst wissen, dass er ihr Mann ist? Hm? Hat sie dir ein Foto gezeigt? Das klingt süß.«
    »Der Name , Janice.« Er klang mitleidig, als bedauerte er sie wegen ihrer Dummheit. »So viele Paul Prodys gibt es hier nicht. Und Clares Mann ist Polizist.« Er deutete mit dem Finger in Richtung Flur. »Er ist es. Und er ist ein Scheißkerl, Janice. Ein ausgewachsener, ein klassischer Pickel auf dem Angesicht der Menschheit. Was er seinen Kindern angetan hat – und seiner Frau!«
    »O Gott, Cory – glaubst du ihr etwa? Warum? Weißt du nicht, wie Frauen sind?«
    »Wie denn? Wie sind Frauen?«
    »Sie lügen , Cory. Frauen lügen . Wir lügen und betrügen und flirten, und dann spielen wir die Verletzten und Verratenen und Misshandelten. Wir sind gute Schauspielerinnen . Wir sind ausgezeichnet. Und der Oscar geht dieses Jahr an die gesamte Weiblichkeit.«
    »Da schließt du dich selbst mit ein?«
    » Ja ! Ich meine, nein – ich meine … manchmal. Manchmal lüge ich. Das tun wir alle.«
    »Das erklärt es natürlich.«
    »Erklärt was?«
    »Erklärt, was du in Wirklichkeit gemeint hast, als du sagtest, du liebst mich mehr als alles andere. Dass du allen andern entsagen und mich lieben würdest. Du hast gelogen.«
    »Ich bin nicht die, die hier betrogen hat.«
    »Du bist nicht losgezogen und hast jemanden gevögelt, aber du hättest es genauso gut tun können.«
    »Was, zum Teufel, soll das heißen?«
    »Das soll heißen, dass die ganze Welt stehen bleibt, wenn es um sie geht. Etwa nicht, Janice? Wenn es um sie geht, ist es, als ob ich nicht existierte.«
    Janice starrte ihn ungläubig an. »Sprichst du etwa von Emily? Redest du wirklich so über deine Tochter?«
    »Über wen denn sonst? Seit sie da ist, bin ich doch nur noch zweite Wahl. Streite es ab, Janice. Streite es ab.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Weißt du was, Cory? Das Einzige, was ich jetzt für dich empfinde, ist Mitleid. Du tust mir leid, weil du mit über vierzig – und übrigens sieht man dir jeden Tag davon an – immer noch dazu verurteilt bist, in einem so engen, traurigen Loch zu leben. Das muss die Hölle sein.«
    »Ich will ihn hier nicht haben.«
    »Aber ich.«
    Corys Blick fiel auf die beiden Gläser in der Spüle. »Du hast mit ihm getrunken. Was hast du sonst noch gemacht? Mit ihm gefickt?«
    »Ach, halt den Mund.«
    »Er bleibt nicht über Nacht.«
    »Ich habe Neuigkeiten für dich, Cory. Er bleibt über Nacht. Er schläft auf dem Klappsofa im Wohnzimmer. Dieser Entführer ist immer noch irgendwo da draußen, und – hier kommt eine aktuelle Meldung, Cory – ich fühle mich bei dir nicht sicher. Ja, wenn ich ehrlich sein soll, wäre es mir ganz lieb, du würdest dich verpissen, zu Clare oder sonst wohin, und uns hier in Ruhe lassen.«

45
    E s hatte an diesem Tag zweimal geregnet, und das Wasser im Kanal war tiefer als am Tag zuvor. Die Luft roch satter und grüner, und das beständige Plink-plink-Plink des Wassers, das durch die Gesteinsschichten sickerte und in den Tunnel tröpfelte, klang nicht so musikalisch wie am Tag zuvor. Jetzt hörte es sich laut und beharrlich an. Flea musste in ihren bleibeschwerten Stiefeln mit gesenktem Kopf durch den Schlick waten. Das Wasser spritzte von ihrem Helm und rieselte ihr in den Nacken. Sie brauchte fast eine Stunde, um zu der Einsturzstelle zu gelangen, durch die sie und Wellard sich gebuddelt hatten. Das Loch war noch da, und als sie sich hindurchzwängte und auf der anderen Seite hinunterrutschte, war sie nass und dreckig. Der Überlebensanzug war voller Schlamm, in Mund und Nase hatte sie Sand, und sie fror. Es war so kalt, dass sie mit den Zähnen klapperte.
    Sie zog die Taucherlampe aus dem Rucksack und leuchtete damit zum anderen Ende des Tunnelabschnitts und auf den hinteren Teil der Schute, die unter dem nächsten Erdrutsch verkeilt lag. In dem dahinter verborgenen Abschnitt des Tunnels musste der fehlende Luftschacht liegen. Sie watete bis zum Fuß des Erdrutsches und schaltete Helm- und Taucherlampe aus. Der Tunnel

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