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Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)

Titel: Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Böckler
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den Antipasti vorbei in die Loggia, wo Laura links im Eck einen Tisch reserviert hatte.
    »Du könntest ja mit einer halben Languste anfangen«, schlug Laura vor, als sie über die Empfehlungen der Küche nachdachten. »Ihr wird immerhin eine aphrodisische Wirkung zugesprochen.«
    »Es tröstet mich, dass du eine halbe Languste für ausreichend hältst.«
    »Im Ernst, lass uns mit einem feinen
Risotto alla tinca
beginnen.«
    »Klingt gut, einverstanden.«
    »Und du kannst dich schon auf die köstlichen
San Vigilini
freuen, die mit der Rechnung serviert werden.«
    »Vor allem deshalb, weil du ja heute die Zeche übernimmst.«
    Ein Ober zündete die Kerze am Tisch an. Sanft schlugen Wellen gegen die Mole. Am gegenüberliegenden Ufer funkelten die ersten Lichter.
    Mark fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Mir geht Alessandros Tod nicht aus dem Sinn. Fast könnte er einem Leid tun.«
    »Immerhin war er dein Entführer.«
    »So sieht es aus, ja. Nur werden wir dieses Geständnis von ihm nie zu Gehör bekommen.«
    Laura biss ein Stück von einem Grissino ab. »Nicht nur das, der Drahtzieher deiner Entführung kann sich jetzt beruhigt ins Bett legen. Alessandro wird ihn nicht mehr verpfeifen. Was für ein wunderbares Glück.«
    »Du meinst, da besteht ein Zusammenhang?« Mark sah Laura zweifelnd an.
    »Warum nicht? Einem Alessandro, der harmlos wie ein Kind im Fangoschlamm vor sich hin döst, könnte auch ein Rudolf mit einer Amphore den Schädel einschlagen!«
    »Rudolf? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.«
    »Warum nicht? Komischerweise vermag ich mir das sehr wohl vorzustellen.«
    »Um ehrlich zu sein, eigentlich glaube ich, dass er mit der Sache nichts zu tun hat, dass wir uns da in etwas hineingesteigert haben.«
    »Mark, du bist zu gutgläubig. Ich habe einen Vorschlag. Ich bitte Guido, herauszufinden, ob ein gewisser Rudolf Krobat gestern oder vorgestern in einem Hotel in Abano Terme gemeldet war. Und du rufst bei Rudolfs Firma in München an und fragst, ob er sich zufällig auf einer Auslandsreise befindet.«
    Mark nickte. »Einverstanden, das klingt vernünftig, das können wir so machen. Vielleicht hat er ja ein Alibi.«
    »Ich würde wetten, dass er das nicht hat.«
    Mark grinste. »Du solltest einem Engländer nie eine Wette anbieten, er wird sie höchstwahrscheinlich annehmen.«
    »Einverstanden. Bleibt die Frage nach dem Wetteinsatz. Mach einen Vorschlag!« Laura sah ihn auffordernd an.
    »Da hätte ich spontan eine Idee. Falls ich die Wette verliere, übernehme ich höchstpersönlich die Therapie deiner fehlgeleiteten sexuellen Assoziationen. Ich kenne eine Methode, die auf der Ganzkörperbehandlung aufbaut und sich dann auf die erogenen Zonen …«
    Die zusammengeballte Serviette verfehlte nur knapp Marks Kopf und landete in dem weißen Vorhang hinter ihm.
    Der Ober, der gerade mit der Weinkarte kam, nahm kommentarlos eine frische Serviette vom Nebentisch und überreichte diese leise lächelnd Laura.

40
    I m hohen Bogen flog die Reisetasche durch den Flur und schlitterte über den Marmorboden. Rudolf trommelte mit den Händen an der Wand entlang. »What a wonderful day …« Mit ausgebreiteten Armen ließ er sich aufs Sofa fallen. So prächtig wie heute hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt. Er schloss die Augen und atmete mehrere Male tief durch.
    Einige Minuten später goss er einen Whisky ein und prostete sich im Spiegel augenzwinkernd zu. Mit dem Glas in der Hand lief er pfeifend durchs Haus. Plötzlich blieb er erschrocken stehen. Von einem Moment auf den anderen war seine gute Laune verflogen. Was war mit dem Porträt seiner Mutter passiert? Warum lehnte es richtig herum an der Wand? Rudolf nahm einen Schluck aus dem Whiskyglas. Seine Haushaltshilfe, die einen Schlüssel zum Haus hatte und jeden Vormittag kam, war einfach zu beflissen. Ein verkehrt herum platziertes Bild widersprach offenbar ihrem Ordnungssinn.
    Er zog sich einen Stuhl heran und setzte sich in einiger Distanz vor das Gemälde. Es maß einen guten Meter in der Höhe und hatte einen schlichten dunkelbraunen Holzrahmen. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete er das Porträt. Seine Mutter schien ihn direkt anzusehen. Ihre Lippen war leicht geöffnet, ganz so, als ob sie gleich etwas sagen würde.
    Wie könnte man ihren Gesichtsausdruck deuten? überlegte Rudolf. Nun, fröhlich war er jedenfalls nicht. Eher melancholisch, sentimental. Im Rückblick musste man zugeben, dass seine Mutter niedergeschlagen

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