Vereint
Kiros Konto. Dafür würde er bluten müssen. Wenn ihr etwas zustieß, dann wäre er dran. »Ich bin bei dir, Nan. Ich bleibe bei dir, aber verlass du mich bitte auch nicht!«, flüsterte ich, während wir auf Hilfe warteten.
Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, ehe ich hörte, wie sich auf dem Gang eilige Schritte näherten und der Portier »Hier hinein!« sagte.
Drei Sanitäter kamen in den Raum gestürmt, und ich übergab ihnen Nan. Sie fingen an, ihre Vitalfunktionen zu überprüfen, und ich stand da und sah hilflos zu. Auf dem Sofa klingelte mein Handy. Eigentlich hätte ich es mir holen müssen.
»Sie hat etwas genommen. Wissen Sie, was?«, fragte einer der Männer.
»Nein, ich bin gerade erst gekommen.« Ich war wie vor den Kopf gestoßen. Sie hatte eine Überdosis genommen. Heilige Scheiße! Ich rannte ins Badezimmer und entdeckte im Waschbecken zwei leere rezeptpflichtige Fläschchen. Sie hatte zu viele Schmerzmittel geschluckt. » FUCK !«, brüllte ich. Schon war ein Sanitäter neben mir und nahm mir die Fläschchen ab.
»Wir müssen ihr den Magen auspumpen. Sind Sie mit ihr verwandt?«, fragte er.
»Ich bin der Bruder«, brachte ich heraus.
»Passt also. Dann fahren wir mal los. Sie können im Notarztwagen mitfahren«, erwiderte er.
Benommen und fassungslos beobachtete ich, wie sie Nans leblosen Körper auf eine Krankentrage hoben und sie aus dem Zimmer trugen. Ich folgte ihnen. In der Ferne klingelte mein Handy, aber ich ließ es, wo es war. Erst mal musste ich meine Schwester retten.
Sechs Stunden später saß ich neben Nans Krankenhausbett. Sie war noch nicht aufgewacht, aber die Ärzte hatten mir versichert, sie würde sich wieder völlig erholen. Anscheinend hatte ich sie rechtzeitig entdeckt. Bei meiner Ankunft hatte sie gerade erst das Bewusstsein verloren.
Ich musste Blaire erreichen. Inzwischen würde sie sich garantiert Sorgen um mich machen. Bislang hatte ich nicht den Nerv gehabt, mit ihr zu reden, dafür war ich einfach zu dünnhäutig gewesen. Obwohl Blaire ja überhaupt keine Schuld traf. Nun hatte ich Gewissensbisse, dass ich sie nicht angerufen hatte.
Es war bescheuert gewesen, das Handy in Nans Hotel zurückzulassen. Ich hatte mich in einem Schockzustand befunden, und zu der Zeit hatte nichts Sinn gemacht. Ich würde für Nan Hilfe organisieren und mit Blaire schleunigst nach Rosemary zurückkehren. Ich musste meine Mutter anrufen. Das war ihr Bier. Nicht meines.
Kiro würde deswegen sowieso nichts unternehmen. Nan wünschte sich da etwas, das sie nie kriegen würde. Es war an der Zeit, dass sie das einsah. Die Tür ging auf, und eine Krankenschwester kam herein. Ich sah zu ihr auf und entschied, dass ich endlich aufhören musste zu versuchen, alles für Nan zu sein. Das bekam ich sowieso nicht hin.
»Ich muss mit dem Arzt sprechen. Wenn meine Schwester so weit ist, möchte ich, dass sie in einer Einrichtung aufgenommen wird, die ihr dabei hilft, ihr Leben in den Griff zu bekommen. Sie braucht Hilfe, die ich ihr nicht geben kann.« Zum ersten Mal in meinem Leben sprach ich es laut aus. Ich gab zu, dass ich den Bedürfnissen meiner Schwester nicht gerecht werden konnte. Anstatt mich schuldig zu fühlen, kam es mir vor, als würde mir eine große Last von den Schultern genommen.
»Doktor Jones wird gleich da sein. Er hatte dasselbe vor. Sie braucht wirklich Hilfe. Schön, dass Sie derselben Ansicht sind. Das macht alles viel einfacher.«
Nichts daran würde einfach sein, dennoch war es das Beste für alle.
N och immer war Rush nicht zurück. Auf meine Anrufe und SMS hatte er nicht reagiert. Ich hatte über vier Stunden bei dem Arzt verbracht, und er hatte sich nicht einmal bei mir gemeldet. Meinem Kind ging es gut, aber der Arzt hatte gesagt, ich müsse mich ausruhen, mehr Flüssigkeit zu mir nehmen und Stress vermeiden. Wenn ich das nicht machte, wäre als nächster Schritt Bettruhe angesagt. Da brachte es gar nichts, hierzubleiben und sich mit Nan auseinanderzusetzen. Ich musste weg.
Für den Fall, dass ich seit dem letzten Blick auf mein Handy vor drei Minuten eine Nachricht verpasst hatte, sah ich erneut darauf. Und versuchte gleichzeitig, mir wegen Rush keinen Kopf zu machen. Schließlich musste ich meinen Stresspegel senken. Meinem Baby zuliebe.
Im Auto war Harlow so still gewesen. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Rush war weder aufgetaucht, noch hatte er angerufen. Dabei hatte sie ihn auch anzurufen versucht. Für ihr Schweigen war ich ihr dankbar. Ich wollte
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