Vereint
ich ohne ihn leben?
Nein. So einfach war das. Auch wenn es mich immer noch schmerzte, dass er gestern nicht für mich und das Baby da gewesen war, brauchte ich ihn und konnte mir ein Leben ohne ihn noch immer nicht vorstellen.
»Nan hat eine Überdosis Tabletten geschluckt. Ich habe sie bewusstlos in ihrem Hotelzimmer aufgefunden. Als ich mich mit den Sanitätern aufgemacht habe, sie ins Krankenhaus zu bringen, habe ich mein Handy in ihrem Hotelzimmer liegen lassen. Deshalb konnte ich auf deine Anrufe nicht reagieren. Es tut mir so leid, Blaire. So verdammt leid!« Der flehende Ton in seiner Stimme brach mir das Herz. Ich hätte wissen müssen, dass etwas Ernstes dahintersteckte. Schließlich reagierte Rush sonst immer auf meine Anrufe und SMS .
»Und wie geht es Nan jetzt?«, fragte ich, allerdings nicht, weil mir an Nan lag, sondern an Rush.
»So weit, so gut. Sie haben ihr den Magen ausgepumpt. Meine Mutter bringt sie jetzt in eine Einrichtung in Montana, wo sie Hilfe kriegt. Ich kann mich nicht länger um sie kümmern. Ich muss mich auf dich und unser Baby konzentrieren!«
Mein Dad war zurückgekehrt und stieg auf das Boot, und ich sah auf. In der einen Hand trug er eine Einkaufstüte, in der anderen eine riesige Flasche Eistee. So schnell wollte ich ihn nicht verlassen. Ich war ja gerade erst angekommen, und ich wollte ihn gern glücklich sehen. Oder zumindest zufrieden.
»Ich möchte noch eine Weile bei meinem Dad bleiben«, erklärte ich Rush, auch wenn Rush das bestimmt nicht recht war. Ich vermisste ihn wie verrückt und wusste, ihm ging es genauso.
»Na gut. Aber kann ich ihn dann vielleicht auch besuchen kommen? Ich würde den nächstmöglichen Flieger nehmen.«
I ch musste unbedingt zu Blaire. Musste sie in die Arme nehmen und mich vergewissern, dass ich sie nicht verloren hatte und dass es ihr und unserem Kind gut ging. Dann würde ich sie überreden, mit mir heimzukehren und mich auf der Stelle zu heiraten. Ich hätte nicht so lange warten dürfen.
Mein Flieger landete eine halbe Stunde zu früh, da wir früher abgeflogen waren als geplant. Ich wollte nicht noch so lange am Flughafen herumhängen, bis die Zeit gekommen war, die ich Blaire genannt hatte, und ich wollte auch nicht, dass sie allein zum Flughafen kam. Ich schnappte mir ein Taxi und sagte dem Fahrer, er solle mich zum Jachthafen bringen. Abes Boot würde ich schon selber finden. So groß war Key West schließlich nicht. Bestimmt hatte ich sie gefunden, bevor Blaire sich auf den Weg machte.
Ich betrat den Pier, der zwischen den Bootsreihen entlangführte, und schaute mich nach Zeichen von Blaire oder Abe um. Ich hatte sie angerufen, war aber direkt mit der Voicemail verbunden worden. Hier lagen Segelboote, Fischerboote und sogar Hausboote vor Anker. Auf etlichen davon lebten Leute an Bord. Ich näherte mich dem Ende des Piers, als ich einen Typen am hinteren Teil seines Bootes stehen sah. Er hatte die Arme vor der nackten Brust verschränkt und starrte auf das Boot nebenan. Gerade wollte ich ihn fragen, ob er wisse, wo sich Abe Wynns Boot befand, als ich seinem Blick folgte.
Lange blonde Haare hingen ihren Rücken herab und wehten sorglos im Wind. Das vertraute Sommerkleid, das sie trug, hatte sie in letzter Zeit besonders gern an, weil es eine der wenigen Sachen war, die ihr noch passten. Der kleine Bauch, der sich in den letzten Wochen entwickelt hatte, nahm mehr Platz ein, weshalb es mehr Bein zeigte, als mir lieb war. Ich sog ihren Anblick auf und fühlte mich wieder ganz … bis ich begriff, dass sie das war, die der Typ mit dem nackten Oberkörper angaffte. Sie merkte nichts davon, weil sie mit dem Rücken zu ihm saß und auf das klare blaue Wasser und das Farbenspiel der untergehenden Sonne blickte. Ich dagegen sah es sehr wohl.
Der Höhlenmensch in mir wollte diesen Idioten von seinem Boot reißen und ins Wasser schmeißen. Doch das konnte ich nicht tun. So stinksauer es mich auch machte, dass der Kerl sie anglotzte, so gut konnte ich ihn andererseits verstehen. Blaire sah einfach atemberaubend aus. Am liebsten wäre ich auch stehen geblieben und hätte sie angestarrt.
Ich entschied mich für die zweite Höhlenmenschoption, steuerte direkt das Boot ihres Vaters an, sprang hinein und zog sie in meine Arme, noch bevor sie sich umdrehen und schauen konnte, wer da kam.
»Rush!«, seufzte sie zufrieden, und der Höhlenmensch in mir hätte sich am liebsten auf die Brust getrommelt. Sie wusste, dass ich es war. Balsam für
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