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Vereist (German Edition)

Vereist (German Edition)

Titel: Vereist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kendra Elliot
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spielen.
    Der schnellste Weg zu Sarahs Haus führte über die Baumbrücke. Ich weiß noch, wie hoch und reißend das Wasser war. Der Regen hatte in der Nacht zwar aufgehört, aber der Fluss schwoll immer noch an. Dafür sorgte der Zufluss aus vielen kleinen Bächen.«
    Brynns Puls ging seltsam ruhig. Aber ihre Brust war so eng, als wollte sie ihr Herz daran hindern, schneller zu schlagen. Die Leichtigkeit, mit der ihr die Geschichte über die Zunge kam, überraschte sie. Sie hielt die Augen geschlossen, damit sie Alex’ Gesichtsausdruck nicht sehen musste. Sie hasste Mitleid.
    »Sarah ging voraus. Der Stamm war nass und schlüpfrig vom Regen. Die hohen Bäume an dieser Stelle ließen kaum Sonnenlicht bis zur Brücke durch. Das Moos darauf machte das Holz an manchen Tagen sogar griffiger. Aber an diesem Tag war es furchtbar glitschig.
    Ich weiß noch, dass wir barfuß gingen und dünne Sommerkleidchen trugen. Darunter hatten wir unsere Schwimmsachen an. Wir wollten die Rückkehr der Sonne feiern und auf der Wasserrutsche in Sarahs Garten toben. Aber dann kam der Sturz. Im ersten Moment dachte ich noch, Sarah würde Quatsch machen und täte so, als würde sie auf einem Schwebebalken balancieren. Ihr linkes Bein hing in der Luft, und ihre Arme flogen hoch wie bei einer Balletttänzerin. Dann rutschte sie ab. Sie klammerte sich an dem Baumstamm fest, fand aber keinen Halt. Ich rannte zu ihr, kniete mich auf die Brücke und schaffte es, eine ihrer Hände zu packen. Aber sie war glitschig, weil sie sich damit am Stamm festgehalten hatte.«
    Brynn hielt inne. Sie konnte den erdigen Geruch des schnell fließenden Wassers und den nassen Baumstamm riechen und das Blut in ihrem Mund schmecken. Als sie nach der Hand ihrer Freundin gegriffen hatte, hatte sie sich auf die Zunge gebissen. Sie spürte, wie Sarahs kleine Hand ihr entglitt und hörte ihre Freundin und sich selbst laut schreien. Ihr eigener Schrei hielt viel länger an. Sarahs Schrei hatte das Wasser verschluckt.
    »Das Wasser riss sie mit. Ich sah ihren Kopf noch fünfmal auftauchen, bevor sie in der Flussbiegung verschwand. Auf allen Vieren krabbelte ich noch ein Stück weiter, dann rutschte mein Knie weg. Ich fiel vom Baumstamm, aber mein Fuß landete auf einem Ast etwa sechzig Zentimeter unter der Wasseroberfläche. Nur deshalb ging ich nicht unter. Ich balancierte auf demAst und klammerte mich mit den Händen an den schlüpfrigen Baumstamm. Hochziehen konnte ich mich nicht. Also hielt ich mich fest und sah zu, wie das Wasser an meinem Körper höher stieg. Später hieß es, ich hätte stundenlang so im Fluss gestanden. Mir war eiskalt. Ich spürte meine Füße und meine Beine nicht mehr. Die Sonne brach irgendwann durch die Bäume und schien mir auf den Kopf und den Rücken. Wahrscheinlich hat mir das das Leben gerettet.«
    »Wer hat dich gefunden?«
    »Ein Sheriff. Jemand hatte Sarahs Körper aus dem Fluss gezogen. Sie wurde sofort identifiziert, weil in unserer kleinen Stadt jeder jeden kannte. Als der Sheriff zu ihren Eltern ging, fragten sie nach mir. Man begann sofort mit der Suche, und die Brücke war der erste Ort, an dem sie nachschauten. Sarahs Eltern wussten, dass wir diesen Weg immer nahmen, wenn wir einander besuchten, obwohl man es uns tausendmal verboten hatte. Es gab eine richtige Brücke mit einer Straße knapp hundert Meter weiter flussabwärts. Aber wir nahmen immer die Fußbrücke.«
    Sarahs Vater hatte die Brücke am nächsten Tag zerstört. Brynn hatte das erst Wochen nach dem Unfall herausgefunden, als es sie noch einmal an den Ort zurückgezogen hatte, an dem sie ihre Freundin verloren hatte. Bei dem Anblick war sie wie angewurzelt stehen geblieben: An beiden Seiten des Ufers lagen nur noch Sägespäne. Sarahs Vater hatte den Stamm mit seiner Kettensäge zerlegt. Brynn war in Tränen ausgebrochen – hin- und hergerissen zwischen der Trauer darüber, dass jemand einen magischen, abenteuerlichen Kindheitsort zerstört hatte, und Freude über die Rache an dem Stamm, wegen dem ihre Freundin gestorben war.
    Diesen verwirrenden Tumult der Gefühle konnte sie noch immer spüren.
    »Heiliger Strohsack. Ich weiß gar nicht, wie du es fertiggebracht hast, auch nur einen Fuß auf die Brücke hier in den Bergen zu setzen.«
    »Es wäre auch fast schiefgegangen.« Brynns Lippen lächelten, ihre Augen nicht. Sie drehte sich zu Alex, suchte nach einer Reaktion.In seinem Gesicht fand sie Entsetzen, Mitleid, Trauer und … Verständnis?
    »Kannst du

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