Vereist (German Edition)
»Ryan?« Brynn drehte sich zur Seite, um nach dem Kranken zu sehen. Aber er war weg. »Wo ist Ryan?«
»Er hilft Thomas.«
»Thomas?«
Sie setzte sich auf. Das Licht mehrerer Stirnlampen erhellte das Innere des Wracks. In der kleinen Kabine drängten sich viel mehr Personen als hier sein sollten. Brynn rieb sich die Augen.
»Brynn? Bist du in Ordnung?« Das war eine neue Stimme. Eine, mit der sie nicht gerechnet hatte.
Heiliger Strohsack. Liam? »
Liam?
« Alex wich zurück, als eine vertraute Gestalt sich zu ihr in den Frachtbereich kniete, ihr Gesicht zwischen die Hände nahm und sie von der Kapuze bis zu den Stiefeln musterte. Liam war blass, aber seine Nasenspitze leuchtete rot. Seine Augen sahen aus, als hätte er sich nächtelang in verrauchten Bars herumgetrieben.
»Was … wo?«
Er zog sie an sich und vergrub sein eisiges Gesicht an ihrem Hals. »Gott sei Dank, Brynn. Ich hatte die Hoffnung, dich noch mal zu sehen, schon fast aufgeben.« Er gab ihr einen kalten Kuss auf den Hals und suchte dann wie ein Verhungernder mit den Lippen nach ihrem Mund. Einen Augenblick lang war sie so schockiert, dass sie seinen Kuss erwiderte. Dann machte sie sich los und sah ihm in die Augen.
»Uns geht es gut, Liam. Sobald das Wetter besser geworden wäre, hätten wir uns einfach auf den Rückweg gemacht.«
»Das glaube ich. Aber ich spreche von Tyrone und mir. Wir sind vorgestern mit dem Hubschrauber abgestürzt.«
»Was? Ihr seid bei diesem Wetter geflogen? Seid ihr wahnsinnig?« Sie lehnte sich zurück und fuhr mit den Händen über seine Brust. »Bist du verletzt?« Mit zittrigen Fingern betastete sie seine schneebedeckte Jacke. Durch einen Schneesturm zu fliegen, war wirklich nur Tyrone zuzutrauen. Obwohl Liam es vermutlich ebenfalls versucht hätte, wenn er einen eigenen Hubschrauber gehabt hätte. Die Brüder waren unerschrocken. Manchmal zu unerschrocken.
»Mir geht es gut. Ich habe nur ein paar Schrammen abbekommen. Aber Tyrone …« Liam schluckte. »Er hat sich ziemlich übel den Kopf angeschlagen.«
Brynn schob Liam beiseite und ging zur Tür. »Ich muss ihn mir ansehen.« Plötzlich blieb sie stehen und schaute Alex an. Sein Gesicht wirkte völlig ausdruckslos. Vermutlich hatte er direkt hinter Liam gestanden, als sie ihn geküsst hatte. Die Schuldgefühle, die sie sofort befielen, nahmen ihr fast den Atem.
Doch der Ärger gab ihn ihr zurück.
Sie gehörte weder Liam noch Alex. Wütend über ihr schlechtes Gewissen starrte sie Alex an. Sie hatte ihn geküsst. Na und?
Sie hatte Alex gesagt, zwischen ihr und Liam sei es aus.
Und ein paar Stunden später küsste sie ihren Ex.
Verdammt
. Damit konnte sie sich jetzt nicht aufhalten.
Thomas schob den Kopf durch die Tür. Tyrone hing schlaff in seinen Armen.
»Leg ihn hin.« Alex und Liam waren vergessen. Brynn wich zurück, um Platz zu machen. Thomas legte den Verletzten vorsichtig auf den Boden. Tyrone bewegte sich und öffnete die Augen.
»Hey, schöner Mann. Was hast du dir bloß dabei gedacht, dich bei diesem Wetter in einen Hubschrauber zu setzen?« Brynn tastete nach Tyrones Puls. Sie zog Thomas die Stirnlampe vom Kopf und überprüfte mit Lichtblitzen Tyrones Pupillenreflexe.
»Er wollte unbedingt zu dir. War nicht davon abzubringen«, murmelte Tyrone. »Kopfschmerzen.«
Brynn nickte. Mit einem flauen Gefühl im Magen legte sie die Hand auf Tyrones Stirn.
Verdammt, Liam.
Alex setzte sich mit dem Rücken zum Frachtbereich in einen Sessel. Er konnte es nicht länger mit ansehen. Dafür, dass die beiden offiziell kein Paar mehr waren, nahm Liam die Hände zu selten von Brynn. Jetzt saßen die zwei neben Tyrone auf dem Boden, steckten die Köpfe zusammen und redeten leise. Sie sahen aus wie ein Ehepaar, das eine ernste Diskussion über den Stand seiner Hypothek führt. Ein paarmal hatte Brynn Alex’ Blick aufgefangen und dabei kaum merklich den Kopf geschüttelt.
Hieß das: »Sag ihm nichts von uns!«? Oder hieß es: »Das mit dir war ein Fehler.«
Er wusste es nicht. Alex rieb sich das Knie. Seit gestern tat es mehr weh als seit Jahren. Er konnte Tabletten nehmen, wollte es aber nicht. Im Augenblick waren ihm die Schmerzen willkommen, denn sie lenkten ihn von der Frau hier im Flugzeug ab. Ryan plumpste mit glasigem Blick in den Sessel gegenüber. Der Junge hatte sich wieder komplett verausgabt.
»Was macht das Fieber?«
Ryan zog eine Grimasse. »Mami passt auf, dass ich immer brav mein Ibuprofen nehme. Es ist, als hätte sie einen
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