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Verfallen

Titel: Verfallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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nicht gesehen oder auch nur mit ihr gesprochen?«
    »Nein. Sie ist einfach nicht da. Schon letzte Woche hat sie nicht auf meine E-Mails geantwortet, und ihr Handy ist seitdem ausgeschaltet.«
    »Hast du mal bei ihren Eltern angerufen?«
    »Ja, bei ihrer Mutter. Die meint, dass Dianne bestimmt irgendwo zu Besuch ist und ich mir keine Sorgen machen soll.«
    »Und du sitzt da die ganze Zeit mutterseelenallein herum und drehst Däumchen?«
    Ich sage nichts mehr.
    »Mitten in der Pampa«, fügt er hinzu. »Eef, wenn deine Freundin nicht da ist, was machst du dann noch dort, um Gottes willen?«
    »Warten, bis sie zurückkommt.«
    »Kannst du dir vorstellen, wie verrückt das klingt? Tut mir leid, aber ich finde das nicht normal.«
    Mir steigen die Tränen in die Augen. Ich bin zu stolz, um mir meinen Kummer anmerken zu lassen, aber Erwin hört meiner Stimme an, dass ich kurz vor dem Weinen stehe. »Ich habe einfach Angst, okay? Dass ihr etwas zugestoßen ist. Ich kenne sie schon mein ganzes Leben lang, sie ist wie eine Schwester für mich. Ich befürchte das Schlimmste. Sie würde niemals einfach so wegfahren, ohne mir Bescheid zu sagen, schon gar nicht eine Woche, bevor ich sie besuchen komme.«
    »Hat sie keine Freunde oder Nachbarn, bei denen du dich erkundigen könntest?«
    »Sie hat mir zwar geschrieben, sie hätte Freunde gefunden, aber sie hat nie Namen genannt. Ich bin jedenfalls bis jetzt noch niemandem begegnet, der mit ihr befreundet wäre.« Sehr vorsichtig ausgedrückt. »Aber weißt du, wen ich stattdessen getroffen habe? Ihren Exfreund, Hugo Sanders – ich hab dir doch mal von ihm erzählt. Etwa fünf Monate, bevor Dianne nach Frankreich gezogen ist, haben sie sich getrennt, und heute Nachmittag bin ich ihm in einem Waffengeschäft über den Weg gelaufen. Ob das ein Zufall ist? Ich kann …«
    »In einem Waffengeschäft?«, unterbricht er mich.
    »Ja, die Polizei hat mir geraten, mir Pfefferspray anzuschaffen.«
    »Warum?«
    »Gestern hat jemand die Scheibe der Hintertür eingeschlagen. Ich wollte Anzeige erstatten. Die Polizei hält es für einen Dummejungenstreich, aber …«
    »Das hört sich aber gar nicht gut an, Eva. Im Gegenteil, es klingt ziemlich …« Er sucht nach dem passenden Ausdruck, findet aber offenbar keinen. Nach einem kurzen Schweigen sagt er: »Mir wäre sehr viel wohler, wenn du sofort in dein Auto steigen und nach Hause kommen würdest.«
    Ich werde lauter: »Du verstehst das nicht! Hier geht es um Dianne, meine beste Freundin! Niemand, mit dem ich hier gesprochen habe, will irgendetwas mit ihr zu tun haben oder hat ein freundliches Wort für sie übrig. Stell dir mal vor, wenn ihr tatsächlich etwas passiert ist! Wer geht dann zur Polizei? Auf ihre Mutter kann ich nicht zählen, die macht sich erst Sorgen, wenn Dianne an ihrem Geburtstag nicht anruft, das wäre dann nächstes Jahr.« Ich hole ein paar Mal tief Luft. Dann fahre ich etwas ruhiger fort: »Ich möchte mindestens bis Samstag bleiben. Dann müsste sie auf jeden Fall zurückkommen, weil wir für diesen Tag meinen Besuch vereinbart haben. Wenn sie bis dahin nicht auftaucht, werde ich sie als vermisst melden.«
    »Du klingst ganz schön überspannt.«
    »Ich bin nicht überspannt. Ich bin nur müde. Und ich habe Angst, weil mir absolut schleierhaft ist, was hier vor sich geht. Im Haus ist es eiskalt. Und die Leute hier sind einfach schrecklich. Hinterwäldlerisch und durch und durch fremdenfeindlich.« Trotz meiner Tränen muss ich lachen. »Aber du brauchst dir um mich keine Sorgen zu machen. Ich habe mir heute Nachmittag eine Dose Hightech-Pfefferspray gekauft, da traut sich keiner an mich ran.«
    »Mir wäre trotzdem lieber, du würdest nach Hause kommen.«
    »Geht aber nicht.«
    Er stößt einen tiefen Seufzer aus. »Verdammter Mist! Ich muss noch die ganze Woche arbeiten. Weißt du was? Wenn du jetzt nach Hause fährst, verspreche ich dir, dass wir am Samstag zusammen wieder runterfahren. Oder von mir aus fliegen. Und wenn sie dann noch nicht zurück ist, bleibe ich bei dir und wir suchen sie gemeinsam.«
    Seine Besorgnis ehrt ihn. Und dass er mir einen Flug anbietet, entgeht mir ebenfalls nicht. Womöglich betrachtet Erwin unsere Beziehung doch nicht als so unverbindlich, wie ich geglaubt habe.
    »Vertrau mir einfach«, sage ich. »Du brauchst dir wirklich keine Sorgen zu machen. Ich rufe dich morgen früh an. Küsschen.« Ohne ihm die Chance zu geben, mir zu antworten, unterbreche ich die Verbindung.
    Eine knappe

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