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Verfallen

Titel: Verfallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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der im Wasser dümpelt, ohne sich zu wehren. Er muss bewusstlos sein. Sein Körper fällt kaum auf dort im Schilf. Seine durchweichte dunkle Jacke gleicht von der Seite einem abgebrochenen Ast. Aus Hugos Lungen entweicht Luft, das sehe ich an den Bläschen, die an die Oberfläche steigen. Er ertrinkt. Es wird nur noch wenige Minuten dauern.
    Vielleicht nur noch Sekunden.
    Ich streiche meine nassen Haare nach hinten und starre aufs Wasser.
    Hugo Sanders steht kurz vor dem Ertrinken.
    Wenn du nichts unternimmst, wird er sterben.
    Dann hast du ihn ermordet.
    Unschlüssig reibe ich mir durch die Haare, schaue Hugo an, dann wieder hinüber ans andere Ufer, wo die Leute nichts ahnend mit ihren Hunden spazieren gehen. Ich blicke hinter mich, wo nur Bäume und Sträucher sind. Niemand braucht je etwas zu erfahren, wenn ich jetzt aufstehe, meine Spuren verwische und gehe. Hugo würde sterben, und niemand würde je erfahren, dass ich es getan habe.
    Aber ich wüsste es, flüstert eine innere Stimme. Mein Leben lang würde diese Schuld auf mir lasten.
    Ich kann es nicht.
    Ich will es nicht.
    Ich bin nicht Dianne, ich bin nicht Hugo.
    Und ich will auch nicht so werden.
    Ich drücke mich von dem Baum ab, laufe zurück ans Ufer und steige wieder ins Wasser. Ich drehe Hugo um, mit dem Gesicht aus dem Wasser, packe ihn an den Schultern seiner Jacke, wate rückwärts und schleppe den schweren Mann mit mir. Ich zerre seinen Oberkörper ans Ufer, die Beine baumeln noch im kalten Wasser.
    Die Hunde springen sofort auf ihn zu und lecken sein Gesicht, schwanzwedelnd und fiepend.
    Hugos Kopf kippt zur Seite, und Wasser quillt aus seinem Mund. Die Farbe ist ihm aus dem Gesicht gewichen, und er sieht so aschgrau aus wie der See. Er atmet oberflächlich und röchelnd: Er lebt, aber er braucht schnell Hilfe.
    Ich richte mich auf und blicke über das Schilf zum anderen Ufer hinüber. Dort, in der bewohnten Welt, sind Leute. Bestimmt finde ich jemanden, der ein Handy dabeihat.
    Ich drehe mich um und laufe los.
    Ein jeder nennt sich Freund, doch sei kein Tor
Und bau nicht drauf. Das Wort ist sehr gemein,
Jedoch sein Inhalt kommt nur selten vor.
    Jean de La Fontaine, Fabeln (1668)

Dank
    Hiermit möchte ich mich bei folgenden Personen herzlich für ihre Hilfe und ihren fachkundigen Rat bedanken:
    Thierry, Simon, Renate, Nini, Monique, Leo, Jeanine, J. und Fieke
    Mein besonderer Dank gilt Berry und Annelies für ihre nimmermüde Unterstützung sowie dem ganzen Verlagsteam von Anthos, insbesondere Wanda.
    *
    Im Roman Verfallen werden die fiktiven Personen Bernard und Patricia Bonnet im Oktober 2007 ermordet.
    Im Februar 2008, vier Monate später, kündigte in der Realität die französische Regierung einen Versuchsstopp beim Anbau von gentechnisch verändertem Mais an.

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