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Verfallen

Titel: Verfallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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trübsinnig vor mich hin. Ich versuchte, mir eine Ausrede einfallen zu lassen, einen plausiblen Grund, warum ich draußen war und nicht drinnen.
    Eine Notlüge.
    Doch sosehr ich mich auch bemühte, mir wollte nichts Brauchbares in den Sinn kommen.
    Ich betrachtete das Haus. Die Gardinen vor meinem Fenster waren halb zugezogen. Neben meinem Zimmer lag unser Bad.
    Das Kippfenster stand einen Spalt auf.

24
    Es dämmert schon, als ich in den Hof von Diannes Haus einbiege. Beim Hereinkommen überfällt mich die Kälte. Das Haus ist feucht und kühl, und mein Atem kondensiert zu kleinen Wölkchen.
    Ich steuere geradewegs auf den Ofen zu. Das Feuer von heute Morgen ist heruntergebrannt und ausgegangen. Wider besseres Wissen schüttele ich den Inhalt der Schachtel Schnellanzünder auf den Fliesen aus. Krümel.
    Eine kurze Inspektion der Küchenschränke ergibt, dass keine Schnellanzünder mehr da sind. Dafür finde ich einen Stapel Altpapier unter der Spüle.
    Ich trage die oberste Lage mit hinüber ins Wohnzimmer, knülle ein paar Blätter zusammen und baue einen Wigwam aus dem trockensten Holz, das ich finden kann. Danach öffne ich die Luftzufuhr ganz weit und zünde das Papier an. Schnell schlagen die Flammen hoch und rasen wie ein Tornado an den Scheiben entlang. Sofort fühlt sich das Haus etwas angenehmer an.
    Die Katze mit der unregelmäßigen Blesse sitzt am Fenster. Ich sehe ihr Maul auf- und zugehen. Sie maunzt mich an.
    »Wohnst du hier?«, frage ich laut. »Oder möchtest du gerne hier wohnen?«
    Jetzt höre ich sie durch die schmutzige Scheibe hindurch miauen.
    Ich kann mir nicht vorstellen, dass Dianne ein Haustier hat. Nichts im Haus weist darauf hin. Ich habe weder Katzenfutter noch eine Katzentoilette gesehen. An dem gemusterten Sofabezug hängen keine Katzenhaare. Wahrscheinlich ist Gruselchen eine Bauernhofkatze, die sich lieber rechtzeitig zum Winter einen warmen Schoß erobert als in der zugigen Scheune auf Mäusejagd zu gehen.
    Ich hole eine Scheibe Schinken aus dem Kühlschrank und rolle sie zusammen.
    »Ich kann dich nicht reinlassen, aber ich habe etwas Leckeres für dich.« Ich öffne die Haustür und lege den Schinken auf den Zementabsatz.
    Die Katze springt sofort herbei, schnappt sich den Schinken und läuft knurrend davon.
    »Gern geschehen!«, rufe ich ihr nach.
    Ich schließe die Tür hinter mir und verriegele sie. Das Feuer geht schon wieder aus, hinter der Ofenscheibe ist es dunkel. Ich öffne die gusseiserne Tür und blase in die Glut. Ascheflocken wirbeln auf und lassen sich auf dem Fliesenboden, auf meinen Haaren und meinen Kleidern nieder. Der Qualm raubt mir den Atem, doch so fest ich auch blase, das Feuer lässt sich nicht wieder anfachen. Das Papier ist verbrannt, und ein paar Äste sind angekokelt, mehr nicht. Ich muss mich wohl damit abfinden, dass ich im Feuermachen nicht besonders geschickt bin. Schon als Kind gelang es mir nie, das Feuer in unserem offenen Kamin am Brennen zu halten. Ich nehme mir vor, morgen eine Großpackung Schnellanzünder zu kaufen.
    Das Handy in meiner Hosentasche klingelt. Erwin. »Hallo«, sage ich wesentlich fröhlicher, als ich mich fühle.
    »Hast du gerade einen Augenblick Zeit, oder störe ich?«, fragt er.
    »Es passt gerade prima.«
    »Ich wollte dir etwas erzählen. Ich kann Karten für das Coldplay-Konzert am Samstag in drei Wochen bekommen, hast du da schon etwas vor?«
    In drei Wochen. So weit voraus kann ich im Moment gar nicht denken. »Nein, ich glaube nicht«, sage ich nach kurzem Zögern.
    »Hast du Lust mitzugehen?«
    »Ja, gerne«, antworte ich tonlos. »Wird bestimmt nett.«
    »Du hörst dich aber nicht gerade begeistert an. Ist was?«
    »Nein, alles okay.«
    »Dianne freut sich sicher, dich wiederzusehen.«
    Ich habe keine Lust mehr zu lügen. Jetzt, wo ich seine vertraute Stimme höre, wünschte ich, dass er bei mir wäre, dass ich ihn berühren könnte. »Dianne ist gar nicht da.«
    »Wie meinst du das?«
    »Na ja … Sie ist nicht zu Hause. Ich habe sie noch nicht gesehen.«
    »Noch nicht … Wie bitte? Aber wo wohnst du denn?«
    »Im Haus.«
    »In ihrem Haus? Obwohl sie gar nicht da ist?« Er schweigt einen Moment. »Ich dachte, sie wohnt allein?«
    »Tut sie auch, soweit ich weiß.«
    »Wie bist du dann reingekommen?«
    »Ich habe den Schlüssel zur Hintertür in einer Gießkanne gefunden.«
    Ein paar Sekunden lang sagt er nichts. Dann fragt er: »Am Sonntag schon?«
    »Ja, woher …«
    »Und du hast Dianne in der ganzen Zeit

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