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Verfallen

Titel: Verfallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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Minute später schickt er eine SMS .
    OKAY. ABER PASS GUT AUF DICH AUF.
    X-CHEN
    Gott sei Dank. Erwin macht kein Drama daraus.
    »Du bist ein Schatz«, flüstere ich und küsse das Display.
    Später am Abend bekomme ich noch eine SMS . Ich liege schon im Bett. Schlaftrunken lese ich die Nachricht. Deborah schreibt, sie habe schon seit Ewigkeiten nichts mehr von Dianne gehört, und fragt, wie ich darauf komme, dass sie in letzter Zeit Kontakt gehabt hätten. Ob wir uns verkracht hätten?
    Ich schicke ihr eine beruhigende Antwort. Kurz darauf schlafe ich ein.

25
    Der Glaser, ein untersetzter Mann um die fünfzig mit offenem Gesichtsausdruck, schüttelt mir die Hand. »Sie wohnen hier herrlich, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf. Wie lang ist Ihre Zufahrt? Bestimmt zehn Kilometer, oder?«
    »Könnte sein, ich habe es noch nicht nachgemessen.«
    Er schnauft, blickt sich interessiert um und betrachtet das Haus, die Scheune und den Hangar. »Wunderbar. Ich wollte schon immer gerne so wohnen, aber meine Frau lässt sich nicht dazu überreden. Zu abgelegen, nicht wahr?«
    Der Mann kommt nicht aus dem Dorf. Die vitrerie , die ich heute Morgen in einer zerfledderten Ausgabe der Pages Jaunes gefunden habe, befindet sich in einem weiter entfernt gelegenen Ort.
    Ich gehe ihm voraus in die Küche.
    »Sie haben Glück gehabt«, höre ich ihn sagen. »Kurz vor Ihrem Anruf hat ein Kunde abgesagt. Sonst hätte ich erst Anfang nächster Woche kommen können.«
    Sofort fällt sein Blick auf die Bretter, mit denen ich die Scheibenöffnung zugenagelt habe. Er befühlt das Holz der Tür, klopft dagegen. »Im Grunde sollten Sie lieber gleich eine neue Tür bestellen. Mit Verlaub, aber diese hier ist préhistoire. Heutzutage verwendet man Kunststoff, natürlich mit Doppelverglasung.«
    »Das Haus gehört nicht mir. Ich möchte nur, dass die Tür repariert wird, bevor die Eigentümerin wiederkommt.«
    »Ah, d’accord .« Der Mann sagt nichts mehr dazu und holt ein Rollmaßband aus seinem Werkzeugkoffer.
    Mit verschränkten Armen schaue ich hinaus. Auf dem Metallmülleimer liegt ein haariges, formloses Häuflein, grauschwarz meliert. Es regt sich nicht. Gestern lag nichts auf dem Deckel, das weiß ich genau. Ich habe noch den Müll aus der Küche rausgebracht. Sieht aus wie ein totes Kaninchen, obwohl deren Fell eine andere Farbe hat. Eher braun als grau.
    Ich dränge mich seitlich an dem Glaser vorbei nach draußen. Ein paar Meter vor dem Mülleimer bleibe ich wie angewurzelt stehen.
    Es ist eine Katze. Sie liegt auf dem Rücken, alle viere von sich gestreckt. Ihr Bauch ist aufgeschlitzt von der Brust bis zum Schwanzansatz. Als ich die Blesse sehe, dieses komische, schiefe Abzeichen, das oberhalb eines toten, starrenden Auges endet, wende ich mich würgend ab.
    Hinter mir ruft der Glaser, er sei fertig. Er kommt heraus und bleibt neben mir stehen.
    Ein paar Sekunden lang schweigt er. Dann fragt er: »Ihre Katze?«
    Ich beuge mich nach vorn, und mein Frühstück verlässt in sauren Krämpfen meinen Magen. Tränen schießen mir in die Augen. Ein, zwei, drei Krämpfe. Ich warte, noch immer vornübergebeugt, aber nichts kommt mehr.
    Ich richte mich auf, am ganzen Leib zitternd, und trockne mir die Augen mit den Ärmeln meiner Strickjacke ab.
    »Gehörte die Katze hierher?«
    Ich nicke.
    » À mon avis … Wenn Sie mich fragen, müssen das Jäger gewesen sein.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    Er zuckt mit den Schultern. »Auf diese Art weidet man ein Tier aus, säubert es, wenn Sie so wollen. Nur haben sie bei der Katze alles dringelassen.« Er geht auf Gruselchen zu und betrachtet ihn von Nahem. »Schrot. Der Schütze hat eine Schrotpatrone verwendet. Aus nächster Nähe, man sieht überall die Einschusslöcher. Das arme Tier hat nichts mitbekommen.«
    »Woher … woher wissen Sie das?«
    »Wenn man jagt, weiß man Bescheid.«
    »Sie sind Jäger?«
    »Wer nicht? Auf dem Land jagen alle, Madame. Na ja, fast alle.«
    Ich sehe ihn schockiert an.
    Der Glaser lächelt. »Die Leute auf dem Land kaufen nicht gerne Fleisch im Supermarkt. Dem trauen wir nicht. Es könnte schließlich mit einer Krankheit verseucht, jahrelang tiefgefroren, zusammengepresst, mit Chemie behandelt, gefärbt sein …« Angewidert verzieht er das Gesicht. »Bestimmt haben Sie das schon öfter im Fernsehen gesehen. Was die sich heutzutage alles einfallen lassen, nur um ein paar Cent mehr zu verdienen!«
    Ich höre kaum noch zu und starre Gruselchens Überreste an. »Das ist

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