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Verfallen

Titel: Verfallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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Reiche-Leute-Söhnchen. Hier steht ein vollkommen anderer Mann als der, dem ich in dem französischen Waffengeschäft begegnet bin – Dr. Jekyll und Mr. Hyde.
    »Gute Reise gehabt?« Meine Stimme klingt höher als normalerweise, aber ich glaube nicht, dass er mich gut genug kennt, um den Unterschied zu bemerken.
    »Du hast Nerven, dich hier blicken zu lassen.«
    »Findest du? Mit dir hatte ich auch nicht gerechnet.«
    »Ach, und warum nicht?«
    Ich schlucke ein Zittern in meiner Stimme hinunter und erwidere: »Weil Mörder nicht frei herumlaufen sollten.«
    »Ah, auf die Tour.« Er verzieht das Gesicht zu einem Grinsen, reibt sich mit der Hand über die Nase und blickt mich geringschätzig an. »Trägst du vielleicht wieder irgendwo ein Mikrofon unter dem Pullover, Eva Lambregts? Versuchst du jetzt auch hier, die Polizei vor deinen Karren zu spannen?« Er wirft einen Blick durch die Glasscheibe in der Tür zur Auffahrt, als wolle er überprüfen, ob dort Polizeifahrzeuge stehen.
    Meine anfängliche Furcht ringt jetzt mit der Wut, die in mir tobt. Mal drängt mich die Angst zu panischer Flucht, mal gewinnt die Wut die Oberhand.
    Angst.
    »Nein, ich trage kein Mikrofon«, entgegne ich, fast atemlos vor Anspannung. »Ich hätte allerdings ein paar Fragen.«
    Er sagt nichts, verschränkt nur die Arme.
    »Ich weiß, dass das Landhaus in Frankreich Wouthil Investments gehört. Und das Haus, in dem Dianne gewohnt hat, ist auf eine der Tochtergesellschaften von Wouthil eingetragen.«
    Achselzuckend erwidert er: »Kann sein, ich beschäftige mich nicht damit.«
    »Du weißt genau, dass das stimmt.«
    »Tja, wenn du das sagst, dann wird es wohl so sein«, antwortet er höhnisch.
    »Du warst dabei in dem Keller. Du warst einer der vier Männer.«
    Er zieht eine Augenbraue hoch. »Ach ja?«
    Wut.
    »Schlimmer noch: Du hast mich während des Verhörs festgehalten. Du warst der Einzige, der nichts gesagt hat, weil ich dich sonst an deiner Stimme erkannt hätte.«
    Er schüttelt den Kopf und lacht in sich hinein.
    »Warum hast du das getan, Hugo?«
    »Was soll ich getan haben?«
    »Warum hast du Dianne umgebracht? Sie war deine Freundin. Sie hat dich geliebt.«
    Er sieht mich finster an. Schweigend.
    Im Wohnzimmer regt sich etwas auf einem weißen Sofa am Fenster. Bei näherem Hinsehen erkenne ich einen Hund, einen Windhund, der sich wie eine Katze auf einem Kissen zusammengerollt hat. Seine dunklen Augen glänzen. Er wirft mir einen kurzen Blick zu und dreht dann gelangweilt den Kopf weg. Neben ihm liegt ein zweites Exemplar, das dem anderen fast aufs Haar gleicht: weiß mit dunklen Pigmentflecken, die durch das dünne Fell schimmern. Beide Hunde haben nicht gebellt, als ich hereinkam. Sie gleichen eher Requisiten als echten Hunden.
    Hugo kommt näher.
    Unwillkürlich weiche ich zurück.
    »Du haust jetzt besser ab, Eva.«
    Der Abstand zwischen uns verringert sich.
    Angst.
    Ich kann nicht weiter zurückweichen; noch ein Schritt, und ich stehe buchstäblich mit dem Rücken zur Wand.
    Du brauchst keine Angst zu haben , murmelt mir eine leise Stimme zu. Hugo Sanders ist ein Mörder, aber ihm muss klar sein, dass er nicht straflos davonkäme, wenn er dir etwas antun würde.
    »Ich gehe nirgendwohin, bevor ich keine Antworten auf meine Fragen habe«, erwidere ich.
    »Du tickst wohl nicht richtig.«
    »Kann sein.«
    »Du spielst mit deinem Leben«, droht er leise, drückt das Kinn auf die Brust und blickt mich unter seinen eckigen Augenbrauen hervor an. Da ist er wieder, dieser Blick, den er mir schon im Waffengeschäft zugeworfen hat.
    Der Blick eines Mörders.
    Eines psychopathischen Mörders.
    Ich hole tief Luft. »Du bist hier nicht in Frankreich.«
    »Auch hier gibt es Anwälte.«
    »Was ist denn hier los?« Hilde Sanders schwebt graziös die Treppe herunter. Ihr blondes, grau gesträhntes Haar trägt sie zu einem tiefen Knoten geschlungen. Sie sieht älter aus als auf den Fotos. Wie gebleichtes Pergament, sogar ihre Augen sind wässrig und farblos. Meryl Streep in der Rolle der bösen Stiefmutter.
    »Eva Lambregts«, stelle ich mich vor und strecke ihr die Hand hin.
    Sie sieht mich an, als sei ich mit Matschstiefeln in ihr glänzendes Foyer marschiert, und wendet sich dann an ihren Sohn. »Wer ist diese Frau? Was ist das für ein Aufruhr?«
    »Sie hat nur ein paar Fragen.«
    »Ja, an Ihren Sohn«, stoße ich wütend hervor.
    Die Dame zieht eine tätowierte Augenbraue hoch, die personifizierte Arroganz. Die kleinen stechenden

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