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Verfallen

Titel: Verfallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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gefunden, dem ermordeten belgischen Hundezüchter.«
    »Die Adresse seines Wohnhauses oder seines Zuchtbetriebs?«
    »Es gibt nur die eine Adresse. Meinen Informationen nach steht das Gebäude inzwischen leer.«
    »Und was willst du mit dieser Information anfangen?«
    »Ich will mich dort mal umsehen.«
    »Das hat doch keinen Sinn, wenn keiner mehr dort wohnt?«
    »Er hat eine Frau und eine Tochter in meinem Alter hinterlassen. Es könnte gut sein, dass die beiden noch in dem Dorf leben. Vielleicht kann ich auch mit den Nachbarn oder ehemaligen Freunden reden.«
    »Eva?«, fragt Erwin und sagt dann lange nichts. Als er fortfährt, klingt er aufrichtig besorgt. »Warum tust du das? Warum gehst du mit den ganzen Informationen nicht einfach zur Polizei?«
    »Weil es keinen Sinn hat. Noch nicht, jedenfalls.«
    »Natürlich hat es das.«
    »Wenn es nur so wäre! Aber ich glaube nicht mehr daran.« Ich schiebe das Nachtschränkchen mit meinem Laptop beiseite. Die harte Bettkante drückt schmerzhaft in meine Oberschenkel. Ich strecke meine Beine, eines nach dem anderen, und recke mich.
    Erwin setzt sich hinter mich, seine langen Beine rechts und links von mir, seine Arme um mich geschlungen.
    Ich lasse mich zurücksinken und schmiege mich an ihn. »Es tut mir einfach gut, mich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Ich bin die ganze Zeit so schrecklich passiv gewesen. Es kommt mir vor, als hätte ich jahrelang geschlafen.«
    »Aber so schlimm wird es doch nicht sein?«
    »Doch. Wenn ich mich an die letzten Jahre erinnere, wird mir klar, dass ich die ganze Zeit auf irgendetwas gewartet habe. Als hätte ich sowieso keinen Einfluss auf mein eigenes Leben. Als geschähe alles einfach so mit mir.«
    »So habe ich dich aber nie erlebt.«
    »Du kennst mich auch noch nicht so lange. Zum Beispiel Sjef, mein Vorgesetzter bei der Zeitung. Immer habe ich gehofft, dass der Kerl eines Tages einsehen würde, wie viel mehr ich kann, und dass er mir dann mehr Verantwortung übertragen würde. Keine Sekunde lang habe ich daran gedacht, er könne meinen Aufstieg absichtlich verhindern wollen. Dabei war er vollkommen egoistisch und nur daran interessiert, seine Schäfchen ins Trockene zu bringen. Ich war ihm völlig egal.«
    »Hat dich das überrascht?«
    Ich wende mich ihm zu. »Ja. Dumm, oder? Wie naiv kann man sein?«
    »Du bist zu streng mit dir. Das hast du doch gar nicht nötig. Wenn ich daran denke, was du in Frankreich erlebt und was du alles geleistet hast … Ich glaube nicht, dass ich dazu in der Lage gewesen wäre. Das war wirklich beeindruckend. Du solltest mehr auf dein eigenes Urteil vertrauen.« Er wiegt mich in seinen Armen und reibt mit der Wange über meine Schläfe. »Auf dein Bauchgefühl.«
    »Genau das tue ich inzwischen. Viel mehr als früher.« Ich lächle und genieße seinen warmen Körper an meinem Rücken, seinen gleichmäßigen Atem an meinem Ohr. »Das fühlt sich gut an.«
    »Stimmt«, flüstert er, fährt mit einer Hand über meine Taille nach oben und umfasst meine Brust.
    Mein Körper reagiert trotz der Müdigkeit und der trüben Gedanken.
    »Ich bin wirklich verrückt nach dir, Eva.«
    Ich muss kichern. »Weißt du, dass ich vor Frankreich überzeugt davon war, dass wir nicht zueinander passen? Dass wir eine schöne Zeit miteinander hatten und sonst nichts?«
    »Im Ernst? Dann nehme ich alles zurück und erkläre dich hiermit für vollkommen unzurechnungsfähig.«
    Ich lache und versetze ihm einen Rippenstoß. »Ich habe gesagt: vor Frankreich. Inzwischen denke ich ganz anders.«
    »Das weiß ich.«
    »Ich habe das Gefühl, endlich aufgewacht zu sein. Zum ersten Mal klar zu sehen. Ich habe ein Ziel vor Augen, verstehst du? Ich weiß, was ich will. Und ich werde aktiv, anstatt tatenlos abzuwarten.«
    »Dann bist du schon weiter als die meisten anderen Leute«, bemerkt Erwin amüsiert.
    »Das liegt an der Geschichte in Frankreich. Für mich war das wie ein bizarrer Weckruf. Noch nie zuvor war ich so sehr auf mich selbst zurückgeworfen, nicht so extrem.«
    »Chevalier in die Falle zu locken war doch deine Idee, oder?«
    Ich denke an das Gespräch mit Kommissar Godin zurück, das wir an dem Nachmittag nach der Tatrekonstruktion in Diannes Hause führten. Während wir zusammen in die Stadt fuhren, versuchte ich, ihm klarzumachen, dass sein Kollege aus dem Dorf dubios, ja gefährlich war. Nachdem er das wie zu erwarten nicht ohne Weiteres glauben wollte, unterbreitete ich ihm meinen Plan.
    Godin sträubte sich

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