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Verfallen

Titel: Verfallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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zunächst, erklärte sich aber schließlich doch einverstanden, und ich glaube fest, dass das an mir lag, an meiner Überzeugungskraft und dem Mut, den ich in diesem Augenblick aufbrachte. Er ging ein Risiko ein, aber ich natürlich ebenso. Ich konnte vorher nicht wissen, ob ich die Sache bis zum Ende durchhalten würde.
    Ich konnte es nur hoffen.
    Ich bin zu viel mehr imstande, als ich selbst für möglich gehalten hätte. Dieses Wissen hat mein Selbstvertrauen sehr gestärkt, mehr als alle aufmunternden Worte.
    »Ich musste es einfach tun«, sage ich.
    »Ich bin unglaublich stolz auf dich.« Erwin streicht mir zärtlich eine Strähne aus der Stirn. »Und obwohl ich dich noch nicht lange kenne, sehe ich, dass Frankreich dich verändert hat. Der Blick in deinen Augen hat sich verwandelt. Du wirkst stärker.«
    »Ja, so fühle ich mich auch, stärker.« Ich unterdrücke ein Gähnen. »Aber jetzt bin ich einfach nur müde und will schlafen. Morgen wird ein langer Tag.«
    Ich löse mich aus Erwins Umarmung, strecke mich auf dem Bett aus und schmiege meinen Kopf ins Kissen. Kaum habe ich die Augen geschlossen, schon überkommt mich die Schläfrigkeit.
    »Morgen? Was ist denn morgen?«
    »Vielleicht fahre ich nach Belgien«, murmele ich.
    Erwin kuschelt sich an mich und legt einen Arm und ein Bein über mich. »Ich wünschte, ich könnte mit dir kommen«, flüstert er. »Ich mache mir Sorgen.«
    Ich drehe meinen Kopf zu ihm um. »Ach was. Ich fahre zu einer trauernden Familie nach Belgien, nicht an die Front nach Afghanistan. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.«
    »Na klar. Denn du hast ja dein Pfefferspray. Das hat dir auch beim letzten Mal so viel genutzt.«
    Ich lächle freudlos. »Ich muss das tun, wirklich, Erwin.«
    »Du glaubst nur, dass du es tun musst.« Das Mondlicht fällt durch das Dachfenster auf Erwins Gesicht. Er ist hellwach. Und besorgt.
    Ich küsse ihn auf den Mund. »Gute Nacht.«
    Was ich vorhabe, bevor ich mich morgen auf den Weg nach Belgien mache, erzähle ich ihm jetzt lieber doch nicht.

53
    Das Interieur des Hauses der Familie Sanders wirkt wie aus einem Hochglanz-Wohnmagazin. Holzverkleidungen in glänzendem Weiß, moderne Kunst und Sprossenfenster, die Aussicht auf einen Garten mit Swimmingpool bieten. Das Wohnzimmer ist riesig. Es gibt mehrere Sitzecken und Sofas, auf dem Boden liegen exotische Tierfelle. Von der Diele aus kann man einen Blick in die Küche werfen, die der eines Restaurants gleicht – höchst funktionell, viel rostfreier Stahl.
    »Wenn Sie einen Moment hier warten würden?« Die Dame, die mich hereingelassen hat, spricht mit starkem Akzent. Ich halte sie für eine Südamerikanerin.
    Zur Familie Sanders vorzudringen war weniger schwierig, als ich gedacht hatte.
    Das schmiedeeiserne Tor stand offen, ich konnte ungehindert die Einfahrt entlang bis vor die Haustür fahren. Nachdem ich gefragt hatte, ob ich jemanden von der Familie sprechen könne, wurde ich sofort hereingelassen. Die Sanders leben nicht sehr abgeschottet.
    Dennoch bin ich auf der Hut. Hugo könnte zu Hause sein. Die Wahrscheinlichkeit ist sogar sehr groß. Heute vor zwei Tagen wurde er freigelassen.
    Ich lasse meinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen. In diesem Haus herrscht eine merkwürdige Atmosphäre, und allmählich erkenne ich, woran das genau liegt: Wie beeindruckend das Styling auch sein mag, so bestimmt doch Leere die herrschende Atmosphäre. Die Zwischenräume ziehen eher die Blicke auf sich als die Möbelstücke selbst, als stünde ich in den Kulissen eines Theaters. Nirgendwo hat sich Krimskrams angesammelt, nichts liegt herum. Weder eine aufgeschlagene Zeitschrift noch eine ordentlich gefaltete Zeitung, ja, nicht einmal ein Paar Schuhe steht unter einem Tisch.
    Rechts von mir starrt ein ausgestopfter Zebrakopf mit toten Kunstaugen in den Flur. Schräg darunter hängt ein Hirschschädel.
    Hugo hat seine Tierliebe offenbar nicht von Wouter und Hilde Sanders geerbt, obwohl ich ohnehin an seinen Motiven zweifle. Ich bin mir so gut wie sicher, dass Hugo Tiere nicht besonders mag und sich genauso wenig um Fragen des Umweltschutzes schert.
    »So, so. Sieh mal einer an.«
    Die Männerstimme lässt mich zusammenzucken. Ich drehe mich um.
    Hugo kommt aus einem Seitenflur in die Diele geschlendert. Er trägt ein Poloshirt mit langen Ärmeln, sein Stoppelbart ist verschwunden, die Füße stecken in Sneakers. Gepflegt, fast distinguiert, mit jungenhafter Selbstsicherheit – das typische

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