Verfault 2 xinxii
lächelte wie ein Charmeur alter Schule, der mich gleich unterhaken wollte: »Madame, Sie brauchen doch nicht abnehmen! Darum geht es auch nicht. Wir haben zwar einen Dick-mach-Spiegel, aber ich meine den Spiegel der Vergangenheit, den Spiegel der Gegenwart und den Spiegel der Wünsche.«
Ich musste grinsen war wie immer gut in Sachen Sarkasmus: »Würde der Spiegel der Zukunft nicht besser in diese Reihe passen?«
»Wenn man von der Begrifflichkeit ausgeht, sicherlich, aber hier handelte es sich nicht um eine Weihnachtsgeschichte. Diese drei Spiegel sind uralt, älter als das Kabinett, und sie werden sie sofort bemerken. Wenn Sie verletzlich, unsicher oder nicht reiner Gedanken sind, verweilen Sie bitte nicht vor ihnen und starren Sie nicht hinein. Am besten, Sie gehen einfach weiter.«
»Sie machen Ihre Sache gut, aber ich werde ich sowieso nicht lange verweilen, da ich so schnell wie möglich nach Hause möchte!«
»Mamaaaaa!«
»Ich komme ja schon, Etienne!«
Der Alte schaute mich besorgt an: »Ich sage die Wahrheit. Passen Sie bitte auf sich auf.«
»Sie machen Ihre Sache doch nicht gut. Möchten Sie Kunden, oder nicht?«
»Doch, doch. Ich habe schon zu viel gesagt, Madame. Bitte.«, er zeigt in Richtung Eingang, wo Etienne erneut nach mir rief, »Gehen Sie nur, aber denken Sie an meine Worte!«
»Ja, ja«, erwiderte ich genervt, »Mache ich.«
Etienne und ich waren die einzigen Kunden. Mein Sohn hatte erneut beschlossen, meinen Arm zu greifen und daran zu ziehen, um die Sache zu beschleunigen. Diesmal ließ ich es geschehen und wir betraten das Kabinett- bzw. Labyrinth durch die dafür vorgesehene Lücke. Sofort schaute ich in den ersten Spiegel, der mir klarmachte, dass wir rechts abbiegen mussten. Es lag ein seltsamer Geruch in der Luft und soweit ich ihn beschreiben konnte, war es eine Mischung aus Glasreiniger und ein metallischer Geruch, der mich an alte Kupfermünzen erinnerte, die man zwischen den Fingern rieb. Wir gingen den Gang entlang und Etienne entdeckte als erster den Dick-mach-Spiegel: »Guck, Mama. Ich bin soooo dick!« Er streckte seinen, nicht vorhandenen, dicken Bauch Richtung Spiegel, um den Effekt noch zu verstärken. Ich stellte mich hinter ihn und musste lächeln. Zum ersten Mal, seit wir auf dem Rummel waren! Er sah lustig aus; wie ein kleiner dicker Luftballon.
Wir spiegelten uns unzählige Male in diesem ersten Gang und der dreidimensionale Eindruck der vorgespielten Tiefe war interessant. Wir wurden kleiner und kleiner und einzig durch Unterbrechung unserer Spiegelbilder, konnte man die Durchgänge erkennen. Die Rahmen waren auch vorhanden, wo keine Spiegel waren und so wurde die Illusion gut aufrechterhalten. Etienne war dies egal, da er beschlossen hatte, die Lücken durch Betatschen der Spiegel zu finden. Ich sagte ihm hundertmal, dass er dies lassen sollte, da sonst überall Fingerabdrücke zu sehen seien und der alte Mann alles reinigen müsste. Er hielt sich jeweils 5 Sekunden an diesen Hinweis und ich gab irgendwann auf. Etienne rannte hin und her, hüpfte vor diversen Verzerrspiegel auf und ab und hatte einen Heidenspaß, der mir immer mehr abhandenkam, denn ich fühlte mich unwohler, je weiter ich in dieses Labyrinth eindrang. Genauer gesagt, fühlte ich mich beobachtet und anfangs dachte ich noch, dass mein Gefühl dieser ungewohnten Umgebung geschuldet war, aber dem war nicht so. Vielmehr war es ein Intuition der seelischen Nacktheit, als ob jemand in mich eindrang, der meine Empfindungen und Gedanken las. Etienne riss mich glücklicherweise aus den trüben Gedanken, indem ein lauthals gebrülltes »Mama!« hinter der nächsten Abbiegung ertönte.
»Ich komme!«, lautete meine erleichterte Antwort und hinter der nächsten Ecke sah
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