Verfault 2 xinxii
schien in der Tat älteren Semesters zu sein. Der Eingangsbereich bestand aus mehreren Absperrgittern aus weiß gestrichenem Metall, an denen an vielen Stellen die Farbe abplatzte und rostige Beulen hervorstachen. Die Gitter waren zur Lenkung der Zuschauerströme gedacht und wirkten extrem trostlos, da Etienne und ich die einzigen Menschen waren, die sich für das Spiegellabyrinth interessierten. Der Eingang bestand -passend zu dieser Attraktion- aus einer Spiegelwand, in deren Mitte sich eine türgroße Lücke befand. Offenbar war man damals noch nicht in der Lage gewesen, komplett randlose Spiegel herzustellen, da alle Spiegel von einem dünnen weißen Eisenrahmen umrahmt wurden. Die Rahmen raubten dem Besucher einiges an Illusion, da sie deutlich sichtbar waren, aber gerade aus diesem Grund, verströmte dieses Relikt aus alten Zeiten einen besonderen Charme. Selbst auf mich, die eigentlich eher von modernen Dingen angesprochen wurde. Links neben dem Kabinett stand eine alte, ausnahmsweise in dunklem rot gestrichene Bretterbude, an der man bezahlen musste. Hier war der Zahn der Zeit am deutlichsten zu erkennen, da das Häuschen mehr Lücken im Holz besaß, als nach aktuellen Bauvorschriften zulässig.
Etienne zog mit all seiner Kraft an meinem Arm: »Mamaaa! Los, lass uns reingehen!« Ich blieb noch kurz stehen, aber mir war es lieber, diese Schaubude zu besuchen, als mich auf einer Achterbahn zu übergeben. »Ok«, sagte ich daher kurz.
»Oh, danke Mama. Danke!« Er zog wieder wie von Sinnen und ich schüttelte mich los: »Wenn Du damit nicht aufhörst, gehen wir heim!«
Schlagartig war er für einige Sekunden still und folgte mir auf den Weg zum Kassenhäuschen. Kurz davor überholte er mich und sprang vor meiner Nase auf und ab, um hineinzuschauen. Ich schob ihn zur Seite und sah mich einem alten Mann gegenüber, dessen dunkle Gesichtshaut unzählige Furchen und Falten besaß und mich an unsere alte Ledercouch erinnerte. Ich erschrak unwillkürlich bei seinem Anblick, denn seine spitze Nase, die zu großen Ohren und die zusammengekniffenen Augen besaßen etwas Unheimliches. Ein alter Zigarrenstummel klemmte in seinem Mundwinkel und wie die Zigarren rochen, stank auch die ganze Bude, worauf ich versuchte seitlich an ihm vorbei zu atmen. Seine Stimme dagegen klang überraschend nett, eine Spur zu hell, aber freundlich und zuvorkommend.
»Guten Tag, Ihr zwei. Wollt Ihr die geheimnisvolle Welt der Spiegel besuchen?«
Während ich noch zögerte, war Etiennes Antwort eindeutig: »Jaaaaa!«, brüllte er dem Mann erfreut entgegen. Ich schloss mich an: »Ja. Einmal für uns beide, bitte!«
»Also zweimal!«
»Ja«, entgegnete ich lustlos und monoton, »sehr witzig.«
Der Eintrittspreis betrug zusammen 4 Euro und hob sich damit erfreulich günstig von den anderen Wucherpreisen auf dem Jahrmarkt ab. Ich gab ihm vier einzelne Eurostücke und er überreichte mir daraufhin 2 Tickets. Etienne stürmte Richtung Eingang und ich wollte ihm gerade folgen, als der alte Mann mir zuflüsterte: »Madame!« Ich drehte mich wieder zu ihm um.
»Madame, dieses Spiegelkabinett ist etwas besonderes und Sie werden eine Menge Freude haben. Dennoch möchte ich Sie vor einigen Dingen warnen!« Er klang geheimnisvoll und ich fragte mich, ob er als Anpreiser für die Geisterbahn nicht besser geeignet wäre.
»Warnen?«, fragte ich mehr aus Höflichkeit als aus Neugierde.
»Madame, in unserem Kabinett gibt es 3 außergewöhnliche Spiegel und sie sind nicht für jede Person gleichermaßen geeignet. Ich...«
»Entschuldigung, ich habe keine Angst vor dem Ich-sehe-aus-wie-ein-Ballon-Spiegel. Ich muss sowieso ein paar Pfund abnehmen und ...«
Er
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