Verfault 2 xinxii
Idee. Das macht Spaß!«
»Bitte lass mich erst die Augen öffnen, wenn wir hier raus sind, OK?«
»Klar, Mama. Komm´. Nimm meine Hand!«
Ich nahm die kleine Hand in meine und schloss die Augen. Ich wollte hier keine weitere Überraschung erleben und keine neue Teufelei. Ich wollte heim, das Schloss austauschen und diesen Mistkerl von Ehemann endlich rauswerfen. Dies hätte ich schon viel früher tun sollen. Und ich würde ihn bluten lassen! Jeden Cent, der mir zustand, würde ich bekommen. Ich weiß nicht, wie diese Spiegel hier funktionierten und es war mir auch egal. Das, was ich eben gesehen hatte, reichte mir vollkommen als Beweis. Während ich darüber nachdachte, wie sehr er mich verletzt hatte, liefen mir erneut Tränen aus den Augen, während ich wie in Trance von meinem Sohn geführt wurde. Wir gingen geradeaus, bogen links und rechts ab, gingen wieder geradeaus und ganz plötzlich ließ Etienne meine Hand los.
»Etienne, sind wir draußen?«
Er antwortete nicht, aber das kannte ich schon, denn dies war eines seiner probaten Mittel, die Mama zu ärgern. »Etienne«, meine Stimme wurde lauter, »Etienne, sind wir draußen. Antworte mir gefälligst!«
Nichts. Weder eine Antwort noch seine Schritte, noch sonst etwas war zu hören. Mir wurde übel und Panik, in Form von erhöhtem Puls und einem unbestimmten Druck auf meine Brust, stieg in mir empor. Ich schrie so laut ich konnte: »Etienne! Etienne! Antworte mir bitte!«
Etienne antwortete nicht und ich öffnete vorsichtig die Augen. Ich dachte inzwischen auf alle Eventualitäten gefasst zu sein, aber ich hatte mich getäuscht. Hiermit hatte ich nicht gerechnet und ich trat verwirrt einen Schritt zurück. Ich stand vor einem fast blinden Spiegel am Kopfende eines Ganges in den Maßen von vielleicht 2 mal 1 Meter. Nur wenige Stellen des Spiegels erfüllten noch ihren Zweck, der Rest war matt und von schwarzen Sprenkeln durchsäht. An den Ecken waren einige Glasstücke abgebrochen und die Metallbeschichtung war sichtbar. Gehalten wurde er durch einen einfachen, schwarz lackierten Sperrholzrahmen, der bestimmt nachträglich angebracht worden war. Mir blieben nur wenige Sekunden, um den Spiegel zu betrachten, denn Sekunden später wurde meine Aufmerksamkeit von etwas anderem gefesselt. In einer der noch verbliebenden spiegelnden Flächen erkannte ich meinen Sohn. Bis hierhin hatten meine Beine mich getragen, aber ihre Kräfte waren aufgebraucht. Ich verlor die Gewalt über sie und sackte zusammen. Mit angewinkelten Schenkeln verharrte ich vor diesem schrecklichen Ungetüm aus Glas. Die spiegelnden Flächen, die ich noch sehen konnte, waren so angeordnet, als läge ein Haufen Splitter vor mir und umso schwerer war es, Details in ihnen auszumachen. Meine Gedanken irrten ziellos umher und es war unmöglich sie in ruhigeres Fahrwasser zu lenken. War ich wahnsinnig geworden? Träumte ich? Oder geschah dieser Albtraum in diesem Labyrinth tatsächlich?
Alles deutete darauf hin, dass sämtliche Ereignisse der letzten halben Stunde, Realität waren, aber diese Erklärung war die unlogischste von allen. Ich schaute wie betäubt in die Spiegelfragmente und in jedem von ihnen sah ich einen Teil Etiennes. Dort ein Stück vom Oberkörper und in einem anderen ein Teil seines Gesichts. Er schien ziellos umherzuirren und schaute immer wieder fragend und verzweifelt zu mir hinüber. Er schien mich sehen zu können, denn er schaute in meine Augen. Es war das grauenhafteste Schauspiel, das mir je widerfahren war. Mein Sohn war in einem Spiegel gefangen und ich saß hilflos davor. Ich weiß nicht wie lange ich teilnahmslos auf dem Boden gesessen hatte, aber irgendwann erwachte ich aus meiner Lethargie und beschloss, meinen Sohn aus seinem
Weitere Kostenlose Bücher