Verflixte Liebe
Welt. Er hat den Anschluss an unsere Zeit verpasst, für ihn ist Sizilien noch so, wie er es als Junge erlebt hat. Schauen Sie sich seinen Palazzo an, dort ist die Welt stehen geblieben. So lange er und seine Frau noch manchmal in Bagheria waren, haben sie Menschen gesehen, die wirklich gelebt haben. Heute sehen sie nur noch die, die längst tot sind - festgehalten in ihrer Ahnengalerie.“
„Aber die Geschäfte ...“
„Die hat doch längst Tommaso geführt. Können Sie sich vorstellen, dass ein Import-Exporthandel heute noch ohne Computertechnologie funktioniert? Aber Marcello Forell kann nicht einmal ein Auto fahren. Er hat sich geweigert, es zu lernen. Für seine Schiffe hat er Kapitäne, für sein Auto einen Chauffeur, für alle modernen 'Unsinnigkeiten' war Tommaso verantwortlich. Seit einer schweren Gehirnhautentzündung, an der Onkel Marcello vor sechs Jahren erkrankt war, führte Tommaso die Geschäfte alleine weiter, und nach Tommaso Tod wurden drei Anwälte als Geschäftsführer eingesetzt, die sich gegenseitig kontrollieren.“ Raffaele hob beide Hände und ließ sie klatschend auf seine Schenkel fallen. „Und falls Sie jetzt glauben ich hätte Interesse an Forcellis Geschäften, nein! Meine Eltern haben mir genug Geld hinterlassen, und mein eigenes Geschäft floriert bestens.“
Milena wurde plötzlich wach. Sie setzte sich auf und sah Christiane verschlafen an. „Wo sind wir denn?“ fragte sie.
Christiane strich ihr lächelnd die Haare aus der Stirn. „Wir umrunden gerade den Ätna. Vielleicht solltest du mal aus dem Fenster sehen, meine Schlafmütze.“
Die Kleine drückte ihr Näschen gegen die Scheibe und blinzelte zum Gipfel hinauf. Eine dünne Rauchfahne stieg auf, sonst sah der Berg eigentlich ganz normal aus.
„Er ist ja gar kein Ungeheuer“, stellte sie sichtlich enttäuscht fest.
Raffaele lachte. „Täusch dich nicht“, sagte er, ohne seinen Blick dabei von Christiane zu wenden, „manchmal ist das, was man mit bloßem Auge sehen kann, einfach nicht die ganze Wahrheit.“
„Und wie kann man die ganze Wahrheit herausfinden?“, fragte Christiane.
„Oft bleibt sie für immer verborgen, aber manchmal zeigt sie sich dem, der sich ein Stück näher heranwagt und mit dem Herzen sieht, statt mit dem Verstand.“
Kapitel 4
Es war spät, als Christiane, Milena und Raffaele von ihrem Ausflug zum Ätna nach Hause kamen. Milena hatte die Fahrt über geschlafen. Jetzt hob Raffaele sie aus ihrem Kindersitz und trug sie zum Palazzo. Die Forell hatten sich bereits zurückgezogen, nur Alice war noch aufgeblieben, um die Gäste hereinzulassen.
In Christianes Zimmer legte Raffaele die Kleine aufs Bett, dann nahm er Christianes Hände und sah ihr in die Augen. „Lass uns die anfänglichen Schwierigkeiten vergessen. Dieser Kleinkrieg führt doch zu nichts! Es bleiben noch neun Tage bis zu eurer Abreise; wie schade, wenn ihr euch die ganze Zeit über im Palazzo verkriechen würdet. Wir könnten ein wenig herumfahren, ich könnte auch Theaterkarten besorgen und ...“
Christiane fiel ihm ins Wort. „Ja, ja, mal sehen.“ Sie lächelte. „Jedenfalls danke ich dir für den heutigen Tag. Es war schön, vor allem Milena hat der Ausflug sehr viel Spaß gemacht.“
Raffaele beugte sich zu ihr, wollte sie rechts und links auf die Wange küssen, aber sie schreckte zurück.
Ein leises Seufzen kam aus seinem Mund, doch dann lächelte er. „Gut, ich werde dich anrufen. Oder du mich, falls du mich brauchst oder irgendeinen Wunsch hast!“ Er legte seine Visitenkarte auf den Tisch, dann ging er.
Sie nahm die Karte auf und las: „Raffaele Guiseppe Forell, Spezialist für Marmor.“ Darunter Adresse, Telefonnummer, und Handynummer.
Es klopfte. Erstaunt blickte Christiane auf. „Ja bitte?“
Es war Alice. Sie schlüpfte ins Zimmer und schloss die Tür hinter sich. „Wie war dein Tag mit Raffaele?“
„Er war sehr nett. Kann ich ihm vertrauen?“
Alice zuckte die Schultern. „Ich kenne ihn kaum. Er ist immer sehr höflich, sehr zuvorkommend zu seiner Tante, seinem Onkel begegnet er mit Respekt. Die Leute sagen nichts Schlechtes über ihn. Als Geschäftsmann hat er einen guten Ruf. Auch Tommaso hat nie schlecht über ihn gesprochen. Obwohl“, sie zuckte grinsend die Schultern, „ich glaube, als Kinder mochten sie sich nicht.“
„Ja, das hat Raffaele mir auch erzählt.“ Christiane fing an, Milena auszuziehen. Dabei sah sie über die Schulter zurück und fragte: „Bist du mit dem Tagebuch
Weitere Kostenlose Bücher