Verflixter Kerl
Besonderes für unsere Bevölkerung und die Feriengäste. Ah, da habe ich seine Anschrift ja. Matthias Graf, Olhörnstieg 123."
"Nur Graf?", fragte Silke nach. "Ohne Wermingsen?"
"Graf Wermingsen ist sein Künstlername", erwiderte die Angestellte freundlich. "So etwas braucht man als Autor. Gut, dass Sie mich an ihn erinnert haben. Ich habe mir sein neues Buch gekauft und will mir bei Gelegenheit ein Autogramm geben lassen. Das haben Sie sicher auch vor, oder?"
Silke Schönbohm schüttelte den Kopf. "Das ist mir nicht so wichtig", erklärte sie. "Herr Graf hatte vorhin einen keinen Unfall am Strand, und ich möchte ihm ein paar Sachen bringen und ihn einfach fragen, ob er Hilfe braucht."
"Ach, du lieber Himmel!" Als Silke angab, dass Matthias Graf – das war also sein richtiger Name – einen Unfall gehabt hatte, griff die Angestellte gleich wieder zum Telefon und rief aufgeregt bei der Lokalzeitung an.
Silke verabschiedete sich rasch und beeilte sich, zu der angegebenen Adresse zu kommen, brauchte zu Fuß aber trotzdem zwanzig Minuten. Hoffentlich war noch keiner von der Zeitung da! Diese Leute verbreiteten immer eine Menge Unruhe, und die konnte Matthias jetzt bestimmt nicht gebrauchen.
Doch die Lokalpresse war ihr offenbar zuvorgekommen. Als sie an der einzigen Klingel läutete, hörte sie hinter der Tür die unwirschen Worte: "Ich habe Ihnen doch gesagt, ich gebe heute kein Interview! Kommen sie morgen wieder!"
"Matthias! Ich bin es, Silke!", rief sie.
Die Tür wurde aufgerissen. Matthias starrte sie an, als könnte er nicht glauben, dass sie da war. Sein linker Fuß war geschient und steckte in einem dicken Verband. "Silke!" Er schluckte. "Entschuldige. Ich dachte, es wäre dieser lästige Bursche von der Zeitung. Komm doch herein! Ich... es ist allerdings nicht aufgeräumt." Er war ganz verlegen, als er jetzt zurückwich.
Sie betrat eine schmucke kleine Ferienwohnung. Von Unordnung konnte keine Rede sein – es sah hier aus wie in jeder Ferienwohnung, die gerade bewohnt wird. Ein paar Kleidungsstücke waren über einen Sessel gelegt, und auf einem Schreibtisch waren neben einem tragbaren Computer diverse Papiere ausgebreitet, aber was machte das schon? Matthias griff sofort nach der Kleidung, humpelte zu einem Nebenzimmer und warf die Sachen dort auf ein Bett. "Bitte nimm doch Platz. Soll ich dir einen Kaffee machen? Oder Tee?"
Silke schüttelte den Kopf. "Das kann ich doch auch machen. Bist du allein?"
Er nickte und schenkte ihr ein Lächeln, das sein Gesicht verzauberte. "Als ich in der Ambulanz fertig war, wollte Sarah dir zum Strand entgegen gehen, um dir zu sagen, wo du mich findest. Aber jetzt bist du hier." Er machte einen Schritt auf sie zu und sah ihr in die Augen.
"Silke", sagte er rau. "Ich habe mich gefragt, ob ich etwas Falsches gesagt oder getan habe. Warum..."
"Psst!", machte sie. "Es war nicht deine Schuld. Weißt du, ich habe vor gar nicht langer Zeit eine schlimme Erfahrung gemacht und habe deshalb falsche Rückschlüsse aus dem gezogen, was ich gesehen habe. Manchmal versuchen die Augen eben, das Herz zu betrügen."
"Was hast du gesehen?" fragte er. Silke ließ es geschehen, dass er ihre Schultern ergriff. Aus der Nähe, im Schatten des Zimmers, wirkten seine Augen dunkler als sonst – und geheimnisvoller, auf eigentümliche Weise bezaubernd.
"Ich war schon auf der Fähre, als ihr eingestiegen seid", erklärte sie. "Sarah, du, und diese rothaarige Frau. Ich dachte, ihr gehört zusammen, und du hättest bei mir nur ein Abenteuer gesucht. Dazu wäre ich mir nämlich zu schade."
"Ich kenne gar keine rothaarige Frau", erwiderte Matthias leise. "Jedenfalls nicht privat."
"Das weiß ich inzwischen", gab Silke zu. "Sie war vor euch in der Schlange, und du hast sie wohl mit deinem Rucksack angestoßen. Weil sie mit dir gesprochen hat, dachte ich..." Sie schniefte. "Ich dachte, ihr wäret eine Familie. Ich war furchtbar enttäuscht."
"Und todunglücklich", fügte er hinzu. "Armes Mädchen!" Matthias zog sie an sich, und sie ließ es zu, dass er sie küsste, erst zaghaft, forschend, behutsam, trostvoll. Dann aber wurde seine Umarmung heftiger, sein Kuss leidenschaftlicher, und Silke wusste, dass es ein Versprechen war, sie nie, nie zu enttäuschen und sie für immer glücklich zu machen.
Und glücklich, das war sie schon jetzt. Sie hatte bisher nicht gewusst, dass man so glücklich überhaupt sein konnte.
*
Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Matthias konnte noch gar nicht
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