Verflixter Kerl
ging durch ihren Körper, und sie hatte plötzlich den Wunsch, dass sie diejenige war, die künftig auf ihn Acht gab.
Sie sah sich um. War es denn so weit gewesen zu ihrem Strandkorb? Sie hatte vorhin nicht auf den Weg geachtet, weil sie sich unterwegs mit Sarah unterhalten hatte. Ein aufgewecktes Kind, fand sie, nur vielleicht etwas verwöhnt, und was sie sagt, ist manchmal ei wenig zu direkt. Kinder, die ohne Mutter aufwachsen, sind leider viel zu früh selbständig.
Mit einem Mal merkte Silke, dass sie ein ganzes Ende zu weit gelaufen war. Dieser Teil des Strandes kam ihr völlig unbekannt vor. Sie machte kehrt und musste ihren Strandkorb suchen. Als sie ihn endlich gefunden hatte, zog sie sich hastig an. Da sie wahrscheinlich heute nicht mehr hierher zurückkommen konnte, packte sie auch gleich ihre Sachen in die Umhängetasche und verschloss den Strandkorb sorgfältig.
Am Sandwall entdecke sie die Ambulanz nicht gleich. Es gab hier mehrere Häuser mit Arztschildern, aber die waren wohl nicht richtig. Die meisten nannten sich "Badearzt". Schließlich fragte sie den Pförtner einer Kurklinik. Als sie die gesuchte Ambulanz dann endlich erreichte, waren schon eineinhalb Stunden seit dem Unfall vergangen.
"Ich möchte zu...", sagte sie zu einer Schwester am Empfang und brach ab. Ach je, sie hatte ja nicht einmal nach seinem Nachnamen gefragt!
"Ja, bitte?", fragte die Schwester. "Zu wem?"
"Hier ist vorhin ein Mann hergebracht worden, der eine Fußverletzung hat. Ein kleines Mädchen war dabei. Etwa acht."
"Ach die beiden." Die Schwester winkte ab. "Die sind längst weg. Ich habe ihnen vor etwa einer Viertelstunde ein Taxi gerufen."
"Wohin? Ins Krankenhaus?", erkundigte Silke sich besorgt.
Die Schwester schüttelte den Kopf. "Nach Hause natürlich. Der Doktor hat dem Verletzten den Fuß behandelt und ruhig gestellt, das war's. Dafür kommt heute niemand mehr ins Krankenhaus."
"Können Sie mir bitte die Adresse geben", bat Silke.
"Sind Sie eine Angehörige?"
Als Silke verneinte, schüttelte die Schwester den Kopf. "Dann dürfen wir die Adresse auch nicht herausgeben", sagte sie. "Tut mir Leid."
Silke seufzte. Nun war sie bereit, Matthias zu vertrauen, und sie beide hatten fast zusammengefunden, schon gab es Probleme. Aber sie würde nicht aufgeben. Jetzt nicht mehr. Sie griff in ihre Tasche und holte das Buch heraus, das sie am Strand gelesen hatte.
"Hier, das ist von ihm. Matthias Graf Wermingsen." Silke hatte Sarah zuerst nicht geglaubt, dass der ein wenig scheu wirkende Mann, den sie beim Tanzen kennen gelernt hatte, ausgerechnet ihr Lieblingsautor sein könnte, aber jetzt klammerte sie ihre Hoffnung daran, dass es stimmte, wie an einen Strohhalm.
"So, so", sagt die Schwester. "Offenbar ist das ein Künstlername. Hier hat er sich allerdings ein wenig anders genannt. Da kann ich Ihnen leider auch nicht helfen." Sie wandte sich ab, um zu zeigen, dass sie das auch gar nicht vorhatte.
Wortlos ging Silke hinaus. Was nun? Wie sollte sie ihn denn jetzt finden? Wyk war eine kleine Stadt, die in der Feriensaison auf mehr als die vierfache Größe anwuchs. Sie konnte ja nicht jedes Hotel und jede Pension abklappern.
Mit einem Mal fiel ihr ein, dass Matthias neulich etwas davon gesagt hatte, dass er hier ein Stipendium als Inselschreiber innehatte. Das konnte sie bestimmt bei der Kulturbehörde erfragen, oder im Fremdenverkehrsbüro. Wo das war, wusste sie. Entschlossen lenkte sie ihre Schritte dahin.
Sie hatte Glück – das Büro war noch geöffnet. Die beiden Angestellten hinter der Theke telefonierten gerade gleichzeitig und nahmen offenbar Kartenbestellungen für eine Veranstaltung entgegen.
Endlich legte eine der beiden Damen den Hörer auf und sah Silke an. "Kann ich ihnen helfen?"
"Ich suche einen Mann", erklärte Silke und wurde verlegen, als ihr plötzlich aufging, dass man diesen Satz auch gründlich missverstehen konnte. "Ich meine, einen bestimmten. Ich habe gehört, dass der Schriftsteller Matthias Graf Wermingsen hier auf Föhr ein Stipendium als Inselschreiber bekommen hat."
"Ja, das ist richtig."
"Könnten Sie mir seine Adresse geben?", bat Silke. "Ich muss ihn dringend sprechen."
"So etwas hatten wir uns auch erhofft", erwiderte die junge Frau hinter der Theke, während sie in den Bildschirm ihres Computers starrte. "Einmal oder zweimal in der Woche sollte unser Inselschreiber vielleicht eine Art Sprechstunde oder Vorlesestunde abhalten und seine Leser begrüßen. Das wäre etwas
Weitere Kostenlose Bücher