Verflixter Kerl
fassen, dass diese wundervolle Frau ihn liebte, ausgerechnet ihn, den zurückhaltenden Schriftsteller Matthias Graf aus dem kleinen Iserlohner Vorort Wermingsen, verwitwet und Vater einer Tochter.
Von dieser Tochter sah er in den nächsten Tagen allerdings recht wenig. Sarah hatte auf einmal ein auffallend "dichtes" Programm: Sie nahm plötzlich am "Ferien-Spaß" teil, der vom Fremdenverkehrsbüro angeboten wurde – Kinder-Nachmittage im Wellenbad, Fahrradtouren um die Insel, Spielveranstaltungen am Strand und so weiter. Alles interessierte sie plötzlich, und Matthias Graf hatte das Gefühl, dass dieses Interesse nur vorgeschoben war, weil seine Tochter mit untrüglichem Gespür ahnte, dass er Zeit brauchte, um mit Silke allein zu sein.
Eigentlich hatte er damit gerechnet, dass Sarah eifersüchtig sein würde – er hatte oft gehört, dass Mädchen die Freundinnen ihres Vaters zu vertreiben suchten, wenn sie merkten, dass er sich für eine Frau interessierte. Aber dort, wo das in seinem Bekanntenkreis so passiert war, waren die Töchter immer schon zehn, zwölf oder älter gewesen, und die Bindung an den Vater war dementsprechend enger. Sarah war noch zu sehr Kind – zum Glück – und wünschte sich von ganzem Herzen eine Mutter, die sie lieb haben konnte. Außerdem war sie überzeugt, dass sie es war, die ihn und Silke zusammengebracht hatte, und zeigte sich entsprechend stolz darauf.
Es war auch ein Glück, dass Sarah und Silke sich auf Anhieb verstanden. Damit Sarah sich nicht zurückgesetzt fühlte, unternahmen sie oft etwas zu Dritt, gingen essen, verbrachten fröhliche Sunden am Strand oder unternahmen eine große Wattwanderung. Es musste schließlich gefeiert werden, dass Martin endlich seinen Verband los war und wieder einigermaßen gut gehen konnte. Er war noch glimpflich davongekommen.
Dieser Ausflug war ein wirkliches Abenteuer. Man durfte eine Wattwanderung nur in Begleitung eines kundigen Führers machen, und überrascht stellten sie fest, dass es sich dabei um den "alten Seebär" handelte, der auch im Bus nach Seebüll und Tondern die Sehenswürdigkeiten erklärt hatte.
Die kleine Sarah war begeistert von dem Gedanken, bei dieser Wanderung, die vom Osten der Insel Föhr aufs benachbarte Amrum ging, auf dem "Meeresgrund zu wandeln", was ziemlich theatralisch klang und wahrscheinlich aus irgendeinem Kinderfilm stammte. Immer wieder blieb sie stehen und bückte sich, um den Seesternen, Turmschnecken und Taschenkrebsen zu erzählen, dass sie eine neue Mami gefunden hätte und dass sie nun bald wieder eine richtige Familie waren.
Silke und Matthias waren stolz, wenn sie das hörten. Sie mussten darauf achten, dass Sarah nicht zu weit zurück blieb, aber dafür sorgte auch schon der Wattführer dem es sehr wichtig war, dass die Gruppe zusammen blieb. "Wir müssen und jetzt beeilen, denn wir sollten an Land sein, bevor die Flut einsetzt", erklärte er immer wieder. Natürlich war noch genügend Zeit, aber ihm waren die Leute anvertraut, und er war für die Sicherheit verantwortlich.
Der Mann erzählte eine Menge Wissenswertes, aber die beiden Verliebten hörten nicht hin. Sie hatten sich so viel zu erzählen und berieten schon darüber, wie es mit ihnen weitergehen sollte. Dass sie gemeinsame Pläne machen wollten, war längst beschlossene Sache.
Das erzählten sie dann auch Sarah, als sie wenig später in einem Café in Norddorf au Amrum saßen und auf den Bus warteten, der sie zur Fähre nach Wittdün bringen sollte. Matthias nippte an seinem Kaffee, sah seine Tochter an, legte einen Arm auf Silkes Schultern und sagte feierlich: "Sarah, Silke und ich möchten etwas Wichtiges mit dir besprechen."
"Ich weiß", erwiderte Sarah und setzte ihr breitestes Milchzahn-Grinsen auf, das ihren Vater kurz aus dem Konzept brachte. "Ich warte schon seit ein paar Tagen darauf."
"Nun ja", fuhr er fort, "wir haben überlegt, dass wir zusammen bleiben, Silke und ich. Und du natürlich. Aber wir wohnen an verschiedenen Orten. Silke kann nicht aus Hamburg weg, aber wir könnten..."
"Au ja!", unterbrach Sarah begeistert. "Wir ziehen nach Hamburg! Da soll' s einen tollen Zoo geben, und einen Hafen mit riesigen Schiffen."
"Und noch viel mehr!", versicherte Silke. "Ich zeige euch dann alles."
"Und es ist ganz weit weg von Frau Wieschermann", rief Sarah begeistert aus. "Ich
liebe
Hamburg!" Da war sie noch nie gewesen, aber sie war offenbar schon ganz sicher.
"Aber dann hast du deine Schulfreundinnen nicht mehr um
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