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Verflixtes Blau!

Verflixtes Blau!

Titel: Verflixtes Blau! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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herum, bis er begriff, woher die Stimme kam, obwohl da jemand an seinem Hosenaufschlag zupfte. Nicht nur eingeschlafen, auch noch betrunken.
    » Könnten Sie mich bitte zum Montmartre bringen, Monsieur?«, sagte sie. » Zum Boulevard Clichy. Sie müssten auf mich warten, während ich etwas abhole, und mich dann wieder hierherbringen.«
    » Nein, das ist zu weit. Es ist spät. Geh nach Hause, Kleine.«
    » Ich kann bezahlen.«
    » Gut, zwanzig Francs.«
    » Das ist Wucher!« Sie trat zurück, um sich den droschkenlenkenden Piraten anzusehen.
    » Oder wir lassen uns was einfallen, meine kleine Haselnuss«, sagte der Kutscher mit einem lüsternen Grinsen, das– wenn es denn nicht eingeübt war– einiges Naturtalent bewies.
    » Dann bin ich zwanzig Francs wert? Wie wäre es, wenn wir uns hinten in Ihrer Kutsche ein wenig amüsieren? Sie geben mir dafür zwanzig Francs, dann suche ich mir einen Kutscher, der noch bei Sinnen ist und mich für zwei Francs zum Montmartre fährt. Den Rest schicke ich meiner leprakranken Mutter nach Tahiti.« Bleu hob ihren schlichten, grauen Rock und ließ den Kutscher einen Blick auf ihre Knöchel werfen, in ihrer ganzen Pracht und braunen Wollsocken. » Wie wär’s?«
    » Zwanzig Francs? Am Pigalle könnte ich dafür zehn Mädchen haben!«
    » Ich dachte mir schon, dass es großzügig von Ihnen war, aber ich bin ja nur ein dummes, kleines Inselkind, das wahrscheinlich gar keine Lepra hat. Was weiß ich denn schon?«
    » Verzieh dich, Kleine. Es ist spät.«
    » Exotische Inselschönheit«, sagte sie kokett, zeigte ein wenig mehr Knöchel und ließ die volle Verführungskraft ihrer braunen Wollsocke wirken. » Huhuuu«, sagte sie, weil sie dachte, so etwas würde eine exotische Inselschönheit vielleicht sagen. » Oh, là, là«, sagte sie.
    » Ich bin müde. Ich fahr nach Hause«, sagte der Kutscher.
    » Aber Sie waren doch derjenige, der meinte, wir könnten uns was einfallen lassen. Das war Ihre Idee«, sagte Bleu.
    » Ich war noch ganz verschlafen und hatte dich noch nicht richtig angesehen. Und außerdem war das, bevor ich von der Lepra deiner Mutter wusste. Zwanzig Francs.«
    » Gut«, sagte sie und stieg in die Kutsche. » Aber ich bezahle Sie erst, wenn Sie mich wieder hierhergebracht haben. Fahren Sie mich zum Cabaret Le Mirliton an der Avenue de Clichy.«
    In diesen Zeiten eine Frau zu sein, das bedeutete, wie ein Objekt behandelt zu werden, entweder eines der Verachtung oder eines der Begierde oder beides, aber sicher war es leichter, im Körper einer hübschen, brünetten Dame durch Paris zu laufen als in dem eines heimatlosen Inselkindes, aus dem erst noch eine Frau werden sollte. Im Nachhinein war es vielleicht ein wenig übereilt gewesen, so bald zu wechseln, aber sie musste die Aufmerksamkeit des Farbenmannes von Lucien ablenken, und das ging am besten, indem sie ihn davon überzeugte, dass sie einen neuen Maler gefunden hatte, für den dieses kleine Tahitimädchen das perfekte Modell darstellte.
    Die Straßen waren fast menschenleer, und so dauerte es nur eine halbe Stunde quer durch die Stadt zum Montmartre. Eine halbe Stunde Hufgeklapper auf dem Kopfsteinpflaster, der Gestank von Kohleöfen, Pferdemist, frischer Hefe aus den Bäckereien, Knoblauch, saurem Wein und Bratenfett vom Abendessen, dazu der durchdringende Gestank nach totem Fisch und etwas Dunkelgrünem, das im Nebel aus der Seine aufstieg. Hinten in der Kutsche purzelte sie herum wie ein Echo in einem rollenden Kürbis, da der Kutscher wild entschlossen schien, jede Rille und jedes Schlagloch der Stadt zu nehmen, und am Ende kicherte sie über die absurde Situation, was dem Kutscher das Leben rettete.
    » Da wären wir«, sagte der Kutscher, als er vor dem dunklen Cabaret hielt. » Zwanzig Francs.«
    » Warten Sie in der Gasse.« Sie deutete mit dem Kopf zur nächsten Ecke. Die Geste ließ eine Welle an ihrem langen, blauschwarzen Haar herablaufen. » Ich bezahle Sie, wenn ich Sie nicht mehr brauche.«
    » Du bezahlst mich jetzt, wenn du möchtest, dass ich warte.«
    Bleu überlegte noch einmal, ob sie ihn in die Kutsche locken sollte, um ihm sein dreckiges Genick zu brechen. Natürlich besaß das Inselmädchen nicht den verführerischen Charme einer Juliette, aber Männer waren Schweine, und man konnte sich darauf verlassen, dass sie ihren niedersten Instinkten nachgaben, weshalb ihr hin und wieder danach zumute war, einen davon aus dem Verkehr zu ziehen. Vielleicht hätte sie nicht auf die Lepra setzen

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