Verflixtes Wolfsgeheul (Verflixte Bücher) (German Edition)
um, verschwindet dann in einem Laubwald und hält mir schließlich eine Hand voll Pilze vor die Nase. „Hier!“
„Bist du verrückt?“ Ich spüre, wie die Hitze aus meinem Gesicht weicht. „Und wenn die giftig sind?“
„Sind sie nicht. Ich kann essbare und giftige auseinanderhalten.“
„Dir ist es doch egal, ob du mich tot oder lebendig zu meinem Vater bringst!“, schreie ich.
Rido sieht mich kurz an, dann schleudert er die Pilze einfach fort. „Dann eben nicht.“
Wir setzen unseren Weg schweigend fort. Rido läuft voran, ich hinterher, die Zähne zusammengebissen. Warum sollte dieser Tag anders sein als die Zeit bei den Python-Kämpfern? Ich habe gedacht, dass die Qual vorbei wäre, aber scheinbar setzt sie sich unermüdlich fort.
Wir folgen einem steilen Pass, der sich zwischen zwei hohen Bergen dahinschlängelt. Damit mir der Weg nicht so anstrengend vorkommt, versuche ich, Rido in ein Gespräch zu verwickeln.
„Sag mal, Großer“, beginne ich. „Du bist doch schon viele Tausend Jahre alt …“
Rido sieht mich von der Seite an. „Nur etwas mehr als zweitausend.“
„Und – was warst du vorher? Kannst du dich an die Zeit vor deiner Aufgabe als Roboter-Wolfs-Junge erinnern?“
„Negativ. Meinen Daten zufolge war ich damals ein Junge von sechzehn Jahren, zwei Monaten und fünf Tagen …“
„Aha!“, frohlocke ich. „Dann können wir ja deinen Geburtstag ausrechnen!“
Rido sieht mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. „Was soll ich denn mit einem Geburtstag?“ Er spricht es aus, als sei dies der Tag seiner Hinrichtung.
„Alle Menschen feiern ihren Geburtstag! Jetzt, wo du ein Herz hast, musst du dich doch darauf freuen!“
„Damit ich von Leuten, deren Schwächen ich kenne, irgendwelchen Kram bekomme, den ich nicht brauche?“ Er knurrt einmal tief aus seinem Innern. „Nein!“
Dieses Nein zeigte mir mehr als deutlich, dass er sich auch von mir kein Geschenk wünscht. Aber ich beginne schon, nachzurechnen. „Wann war denn dein erster Tag als Wolf? Waren deine Eltern dabei? Kennst du deine Eltern noch?“
„Die Zeit davor ist nicht in meinen Daten erfasst.“
„Also ist dein Geburtstag Tag eins minus sechzehn Jahre, zwei Monate und fünf Tage …“
Rido kräuselt seine Stirn. „Dieses Datum ist irrelevant. Ich habe keinen Bezug mehr zu meinem Leben als Junge.“
„Aber möchtest du nicht wissen, wer deine Eltern waren? Vielleicht gibt es irgendwo noch Verwandte von dir! Wäre das nicht toll, wenn du sie kennenlernen könntest?“
An seinem Gesichtsausdruck sehe ich, wie toll er diese Idee findet.
„Für mich hat mein Auftrag höchste Priorität. Sonst nichts.“
„Echt nicht?“ Ein bisschen außer Atem laufe ich neben ihm her. „Stell dir vor, du wärst mein Ur-ur-ur-ur-Vetter! Wäre das nicht lustig?“
„Das ist nicht möglich. Es fehlen noch mindestens eineinhalbtausend Jahre, ehe du diese Bezeichnung auf mich anwenden könntest.“
„ARGH!“, schreie ich. „Ich hab nicht vor, zwanzig Urs aufzuzählen, nur damit es für dich stimmt! Es geht hier um die Möglichkeit, dass wir verwandt sind!“
„Auch das ist unmöglich.“
Rido geht schneller, so, als habe ich einen wunden Punkt getroffen. Wir können nicht miteinander verwandt sein? Gut, das ist unwahrscheinlich, aber doch nicht unmöglich!
„Warum? Wenn du dich nicht an früher erinnerst, kann es doch so sein …“, bohre ich nach.(1)
Ich habe fast das Gefühl, dass er mir wieder wegrennen will.
„Ich weiß nichts mehr von früher“, sagt er schließlich doch. „Aber ich glaube, man hat meine Eltern und Geschwister getötet. Falls ich Geschwister hatte …“
Ich werde hellhörig. „Du glaubst es? Aber es ist nicht in deinen Daten verzeichnet? Woher willst du das dann wissen?“
Rido zuckt mit den Schultern.
Mir wird bewusst, dass ein echter Roboter niemals mit den Schultern zucken würde.
„Seit du mir das Herz gegeben hast, erscheinen manchmal Bilder vor meinen Augen. Ich sehe, wie eine in Flammen stehende Frau schreiend aus einem brennenden Haus läuft. Ich höre Kindergeschrei aus einem der Fenster, bis es schließlich aufhört. Ich sehe, wie ein Mann vor meinen Augen erschossen wird. Er sieht mich mit einem besonders gequälten Blick an.“
Ich muss schlucken. „Du meinst, diese Bilder sind noch tief in dir verankert und du kannst sie jetzt sehen, weil du ein Herz hast? Warum hat man das getan?“
„Man brauchte jemanden, der die Funktion des Hüters
Weitere Kostenlose Bücher