Verflucht seist du: Kommissar Dühnforts fünfter Fall (German Edition)
Fleisch schnitt, knackende Rippen. Alois stöhnte und fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. Langsam drehte er durch. Er machte sich ja total verrückt.
Er stand auf, stellte sich an Simons Bett und betrachtete seinen Sohn. Er wirkte zerbrechlich. Wie alles Leben. Es brauchte nicht viel …
Der Junge schlief tief. Das war doch ein gutes Zeichen. Alois trat ans Fenster und sah in die Nacht. Wieder wollte die Angst ihn besiegen. Er schob sie beiseite und versuchte sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Auf den Fall.
Hatte sich in den letzten Stunden etwas Neues ergeben? Kannten sie endlich das Motiv? War Daniel wirklich so clean, wie es schien? Oder ging es doch um Drogen? Schließlich hatte er eine Jugendstrafe wegen einer Drogengeschichte. Vielleicht war mehr an der Sache dran. Dieser Gedanke war ihm gestern schon mal durch den Kopf geschossen. Aber bei welcher Gelegenheit? Alois konnte sich nicht erinnern. Es war irgendeine nebensächliche Info gewesen. Jemand hatte etwas gesagt, und plötzlich hatte er diese Idee gehabt. Flüchtig wie ein Wimpernschlag. Eher ein Bauchgefühl. Und für Bauchgefühle war Tino zuständig.
Falls Daniel doch gedealt hatte, an wen hatte er sich gehalten? Sicher an seine Kumpels und Lieferanten von damals. Allerdings hätten sie diesen Kontakt längst über Daniels Handy oder seine Mails ausfindig gemacht. Da war nichts.
Es konnte allerdings auch nicht schaden, morgen mal mit Daniels Oma zu reden.
23
Am nächsten Morgen traf Dühnfort Alois im Flur. Er wirkte angespannt und übernächtigt.
»Wie geht’s Simon?«
»Das Fieber ist runter. Doch dem Bub fehlt irgendwas. Er hängt rum wie ein Schluck Wasser in der Kurve, und keiner weiß, woran das liegt. Hirnhautentzündung ist es jedenfalls nicht. Heute Nacht war ich bei ihm. Jetzt ist die Evi wieder dort. Wir wechseln uns ab.«
Dühnfort kannte Simon. Ein auf nette Art frecher und aufgeweckter Junge. Dass er ernstlich krank sein könnte, beunruhigte ihn. »Nimm dir frei. Wir bekommen den Fall schon auf die Reihe.« Auch wenn er nicht wusste wie. Vielleicht konnte Moritz Russo jemanden entbehren.
Alois wehrte ab. »Ich bin fit. Ich habe ja geschlafen. Im Gegensatz zu Evi. Sie hatte Nachtschicht. Lange hält sie das nicht durch.«
Dass Alois sich um Evi sorgte, war neu. Der Kontakt, den beide um Simons willen pflegten, war von Alois’ Seite durch eine seltsame Kühle und Distanziertheit geprägt. Er reagierte ungeduldig auf sie, und Dühnfort hatte schon häufiger den Eindruck gehabt, Alois würde Evi am liebsten verheimlichen und verstecken.
Mit raumgreifenden Schritten kam Buchholz den Flur entlang. »Es geht was voran.« Er hob einen Aktendeckel und steuerte das Besprechungszimmer an. Dühnfort und Alois folgten ihm.
Kirsten war schon da. Ebenso Meo und einige der Sachbearbeiter, die den Kommissionen zuarbeiteten, darunter Sophie Dreher, eine praktisch veranlagte Mittvierzigerin, die ihrer Arbeit mit Leidenschaft nachging. Stühle wurden gerückt. Kaffeetassen klirrten. Zu Dühnforts Überraschung erschien Leyenfels und setzte sich mit an den Besprechungstisch. Das tat er selten. Normalerweise war es ihm lieber, sich von Dühnfort kurz und knackig über den Stand der Ermittlung informieren zu lassen, als seine Zeit beim Morgenmeeting zu verbringen. Er grüßte in die Runde, nahm neben Kirsten Platz und fragte halblaut, wie es ihr ginge, ob sie wieder auf dem Damm sei.
Buchholz heftete einen Ausdruck aus dem Internet an die Magnetwand und deutete darauf. »Wir haben einen Treffer, was den Lieferwagen angeht. Der Lack am Vorfahrt-gewähren-Schild stammt von einem Fiat Ducato, imperialblau, Baujahr 2007 bis 2010. Der sollte ja aufzutreiben sein.«
»Prima!« Endlich tat sich etwas. Dühnfort überlegte, wie sie die Suche nach dem Fahrzeug eingrenzen konnten.
Kirsten kam ihm zuvor. »Zu schnell gefahren ist er nicht. Im fraglichen Zeitraum wurde kein Lieferwagen geblitzt. Wie sollen wir bei der Suche vorgehen?«
»Gute Frage. Wenn wir wenigstens wüssten, ob der Wagen eine Münchner Zulassung hat … Ist schon überprüft, ob in Daniels persönlichem Umfeld jemand einen dunklen Lieferwagen fährt?«, fragte Dühnfort.
»Ist erledigt«, meinte Alois. »Kein Treffer.«
»Gut. Dann nehmen wir uns jetzt die Zulassungen aller imperialblauen Fiat Ducato von München Stadt und Land vor und filtern die heraus, die auf die Beschreibung von Frau Nowotny passen. Weiße und rote oder orange Buchstaben mit dem Wortfragment
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